Haus Hamburg

Das “Haus Hamburg” war ein Kinder-Solekurheim der DAK und war in Betrieb von 1960 bis 1987.

In diesem Artikel veröffentlichen wir Informationen zu Einrichtungen und Erlebnissen von Betroffenen, die als Kinder nach Bad Sassendorf verschickt wurden. Sie sind das Ergebnis einer Betroffenen-Recherchegruppe unter der Leitung von Isabelle Nünninghoff. Die Recherchegruppe ist seit 2019 aktiv.

Das „Haus Hamburg“ war ein Kinder-Solekurheim der DAK und von 1960 bis 1987 in Betrieb.

Ursprünglich war das Haus seit circa 1930 im Besitz der DHV (der DAK-Vorläufer Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband) und nannte sich „Anton Tarnowski Kinderkurheim“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von den Alliierten beschlagnahmt und 1959 der DAK übertragen. Im November 1960 erfolgte die Neueröffnung als Kindersolekurheim „Haus Hamburg“, das als das modernste Kinderheim Europas galt. Zwischen 1960 und 1977 wurden zahlreiche Renovierungen und Erweiterungen durchgeführt. 

1987 wurden die Haupthäuser geschlossen und abgerissen, wobei das Isolierhaus bis heute steht. Das Gelände wurde von der „Saline Bad Sassendorf GmbH“ übernommen, die die Quellenhofklinik neu errichtete.

Die Trägerschaft und Leitung lag von 1960 bis 1987 bei der DAK. Die Heimaufsicht wurde vom Landesjugendamt Münster wahrgenommen. Das Heim war für 4 Gruppen mit insgesamt 96 Kindern pro Kurdauer ausgelegt. Es befand sich im Stadtteil Heppen, der bis 1969 ein eigenständiges Dorf war.

Haus Hamburg

Aus den Erlebnisberichten von Betroffenen

Anzahl der Betroffenen, die uns bekannt sind: 40.

Erlebnisse der Betroffenen:

  • Drei Betroffene, die im Alter von 6/7 Jahren im Haus Hamburg waren, berichten von Erlebnissen sexualisierter Gewalt.
  • Mehrere Betroffene schildern nächtliches Eingesperrtsein in einem etwa 50 cm breiten Putzschrank, nachdem sie an den Haaren auf den Flur geschleift wurden.
  • Kinder werden stundenlang im Speisesaal eingesperrt und zum Essen gezwungen.
  • Toilettengänge sind streng reglementiert, auch tagsüber und für Teenager.
  • Während der bewegungslosen Mittagsruhe werden Kinder in eine Decke fest eingerollt und in einer Ruhehalle platziert; kleinste Bewegungen der Augenlider werden mit physischer Gewalt geahndet.
  • Post wird zensiert.
  • Eltern, die spontan zu Besuch kommen, werden wiederholt abgewiesen; die Gruppe wird instruiert, die Kinder vom Fenster fernzuhalten.
  • Schränke mit Kleidung und persönlichen Gegenständen sind nicht zugänglich.
  • Abschottung im Garten, im Kurpark und auch durch große Umwege, um Wohnstraßen bei den 2-mal täglichen Spaziergängen zu meiden.

Aus der Heimakte und anderem Archivmaterial

  • Die Betreuung der Kinder erfolgt durch ausgebildete Kindergärtnerinnen; nur in der Nachtwache wird eine ungeschulte Helferin eingesetzt.
  • Die Betreuerinnen arbeiten im Ganztagesdienst (ca. 12-13 Stunden) und erhalten die Überstunden als zusätzlichen Urlaub.
  • Die Hauswirtschaft ist mit 17 Mitarbeiterinnen überaus gut ausgestattet.
  • An Sandkästen, die im Meldebogen genannt werden, kann sich niemand erinnern.
  • Bei Heimaufsichtsbesuchen des Landesjugendamts (1967) wurden Mängel festgestellt, darunter fehlendes persönliches Fach für die Kinder, zu wenig Spielmaterial, unzureichendes Mobiliar für Kleinkinder und ein Handtuch für 26 Kinder zum Händeabtrocknen.
  • Es wird angemerkt, dass den Schulkindern möglicherweise mehr Selbstständigkeit bei den Toilettengängen eingeräumt werden sollte.
  • Aus Infektionsschutzgründen werden die Kinder nicht zum Kirchgang angehalten.

Aus der DAK-Studie

Der Historiker Hans-Walter Schmuhl hat im Auftrag der DAK Gesundheit eine Studie zu Kinderkurheimen der Krankenkasse vorgelegt: „Kur oder Verschickung? Die Kinderkuren der DAK zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Döllitz und Galitz Verlag, München und Hamburg 2023. Die folgende Einschätzung bezieht sich auf das „Haus Hamburg“ in Bad Sassendorf. Hier geht es zur Stellungnahme der DAK.

Schmuhl: „Die Kurkinder wurden in eine in sich geschlossene, räumlich beengte Welt versetzt, in der sie dem Personal ausgeliefert waren und sich in eine rigide Ordnung einfügen mussten, die alle Lebensäußerungen bis hin zum Toilettengang regelte. Die Organisationslogik legte es dem Personal nahe, durch ein strenges Reglement eine möglichst lückenlose Kontrolle und die konsequente Sanktionierung abweichenden Verhaltens reibungslose Betriebsabläufe sicherzustellen.“

Diese Informationen werden mit der Zeit erweitert.

Newsletter-Anmeldung

SPENDEN

Vielen Dank, dass Sie sich für eine Spende interessieren:

AKV NRW e.V.

IBAN DE98 3206 1384 1513 1600 00

Für eine Spendenquittung bitte eine E-Mail an:
Detlef.Lichtrauter@akv-nrw.de