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Kinderheilstätte Bad Sassendorf

In diesem Artikel veröffentlichen wir Informationen zu Einrichtungen und Erlebnissen von Betroffenen, die als Kinder nach Bad Sassendorf verschickt wurden. Sie sind das Ergebnis einer Betroffenen-Recherchegruppe, die lange von der Bad Sassendorfener Heimortkoordinatorin Isabelle Nünninghoff geleitet wurde. Die Recherchegruppe ist seit 2019 aktiv.

 
Quelle: LWL-Medienzentrum

Zur Geschichte der Kinderheilstätte

Die Kinderheilanstalt wurde 1877 von dem Johanniter-Ritter Franz von Bockum genannt Dolffs gegründet. Borkum Dolffs ist die wichtigste Adelsfamilie in Sassendorf, die über Jahrhunderte Salinen betrieben hat.

Mit der Gründung der Kinderheilstätte entwickelte sich Sassendorf zur einer der wichtigsten Kurorte in Nordrhein-Westfalen.

Der Träger der Einrichtung war die Innere Mission, die 1975 Teil der Diakonie wurde. Die Betreiber:innen waren die Diakonissen des Mutterhauses in Bethel, von 1951 bis 1983 unter der Leitung von Martha van Bürck. Die Anstalt war für 420 Kinder konzipiert.  Bis 1968 war sie durchgehend mit 365 Kindern pro Kuraufenthalt belegt. Ab 1968 nahm die Belegungszahl stetig ab. Die Heimaufsicht lag beim Landesjugendamt Münster. Die Anlage befand sich direkt hinter dem Kurpark. Sie bestand aus einem Gebäudekomplex mit 6 Wohngebäuden und einem großen Grundstück.

In Teilen der Gebäude befindet sich heute eine Kinderfachklinik. Am 1. April 2017 übernahmen die Johanniter Ordenshäuser die Einrichtung. Seitdem heißt sie “Kinderfachklinik Bad Sassendorf GmbH”.  Der Stiftungszweck, die Hilfe für bedürftige Kinder, wurde gewahrt. Albert Simons von Bockum-Dolffs ist heute als Vertreter der Gründungsfamilie Mitglied des Stiftungsrats.

Die Evangelische Stiftung trägt den Namen “Förderstiftung von Bockum-Dolffs”. Sie ist Mitglied des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. (Diakonie RWL) und ist dadurch dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen als anerkannter evangelischer Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege.

Im Jahr 2019 wurde die Kinderfachklinik erweitert. „Unsere Reha rettet kein Leben – aber Lebensläufe,“ betonten Chefarzt Dr. Matthias Kaminski und Geschäftsführer Frank Böker bei der Einweihung. Oskar Prinz von Preußen, der Leiter  des evangelischen Johanniterordens, betonte, dass die Klinik „auf vortreffliche Weise dem christlichen Leitbild des Ordens“ entspreche.

Vom 15.-18.09.2022 fand in Bad Sassendorf der Kongress der Initiative der Verschickungskinder statt.  Die Klinikleitung ermöglichte den Teilnehmer:innen eine Besichtigung des Geländes.

Quellen:

Aus den Erlebnisberichten von Betroffenen

Anzahl Betroffener, die uns bekannt sind: 65

Erlebnisse der Betroffenen:

  • Schlechtes Essen, vorrangig aus Milchspeisen bestehend: Milchsuppe, Pudding und trockener Reis
  • Große, enge Schlafsäle
  • Toilettenverbote und Schläge bei Nichtbefolgung, was zu immenser Verängstigung und Panik der Betroffenen führte
  • Redeverbot
  • Bei Erkrankung: Abschottung über lange Zeiträume im weit entfernten und kalten Dachgeschoss oder im Isolierhaus bei Erkrankung ohne Kontakt zur Außenwelt
  • Kleider der Kinder werden im Keller aufbewahrt und sind nur einmal pro Woche zugänglich; was vergessen wird zu holen, fehlt dann einfach
  • Kinder müssen ihre Kleider für die Wäsche mit einer Sicherheitsnadel zusammenbündeln und mit ihrer Nummer versehen; die Kleidernummer wird bisweilen zum Rufnamen der Kinder
  • Demütigungen vor den anderen Kindern; Postzensur

Aus der Heimakte und anderem Archivmaterial

  • Belieferung des Heims mit vergorener Milch (aktenkundig belegt)
  • Es wird hauptsächlich mit niedrig qualifiziertem Personal (Kinderpflegehelferinnen) gearbeitet; die Auflagen für qualifizierte pädagogische Kräfte werden unterwandert
  • Löhne bis zu 40% niedriger als tariflich vorgesehen (Quelle: Korrespondenz Bethel)
  • Auflagen, eine Sozialpädagogin einzustellen, werden 8 Jahre lang ignoriert
  • Die Nachtwachen in den 10 Häusern sind über viele Jahre (ggf. stets) unterbesetzt
  • Personalmissstand führt dazu, dass Praktikantinnen am ersten Arbeitstag mit 45 Kindern alleine gelassen werden (Quelle: Berichte von 2 Schülerpraktikantinnen)
  • Die Anstalt erwirtschaftet 1973 einen zweistelligen Gewinn in Prozent

Bemängelungen bei Heimaufsichtsbesuchen des Landesjugendamts:

  • Gruppengröße mit bis zu 50 Kindern zu groß
  • Zu hohe Schlafsaalbelegung, fehlende Bettabstände; defekte und z.T. nicht altersgerechte/ zu kurze Betten 
  • Es fehlt an Spielsachen und diese sind meist nicht altersgerecht
  • Hoher Renovierungsstau und entsprechende Auflagen des Jugendamts werden für fast ein ganzes Jahrzehnt „ausgesessen“
  • Fehlende Privatsphäre der Kinder im WC durch ausgehängte Türen

Der Schwerpunkt wird sukzessive erweitert.

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