Suche
Suche

Anja Röhl: Heimweh

Verschickungskinder erzählen

Psychosozial-Verlag, Gießen 2021, 228 Seiten, Preis: 25 Euro.
ISBN: 978-3-8379-3117-4

In ihrem zweiten Buch über die Verschickungskinder gibt Anja Röhl den Lesern Einblicke in das Schicksal von 23 Menschen, die als Kinder Opfer der deutschen Jugend-, Schul- und Gesundheitsbehörden geworden waren. Die Schilderungen ähneln sich so sehr und gleichen auch den Beschreibungen in anderen Publikationen, dass man meinen könnte, es handelte sich um ein einheitliches Konzept. Nein, das war nicht so. Die vielen Heime und ihre Träger hatten eigentlich nichts miteinander zu tun: Oder doch? Das was dort geschah, war Folge der "Schwarzen Pädagogik", der Ausbildung, Haltung und Praxis von Ärzten und Aufpasserinnen, die vorwiegend aus der Nazi-Zeit stammten und etwa bis 1990 wirken konnten.
Heimweh - Verschickungskinder erzählen Von Anja Röhl
Reihen-Umschlaggestaltung für den Psychosozial-Verlag, Gießen Info zu Hintergrund Raster-Bild: Raster für Fond: Covermotiv in Fläche von ca 25 x 25 cm einbauen und in Bitmap wandeln. Einstellung Bitmap: Halbtonraster 10 p per inch Winkel 45°

Es kam zu menschenverachtenden Behandlungen, entwürdigenden und willkürliche Bestrafungen wie auch Kollektivstrafen:

Drohungen, Prügel, Isolation, kalte Duschen, in einen Sack stecken, im dunklen Keller einsperren. Ein Opfer äußerte: “Das Prinzip war: Strafe, Strafe, Strafe. Sie wollten uns den Willen brechen”. Jahre später “kamen mir seltsame Parallelen zu einem KZ in den Kopf” (S. 161). Ein anderer schrieb zu Recht: “Das macht man nicht einmal mit Sträflingen” (S. 193).

Nahrungsaufnahme: Auch hier gewaltsames Essen-Müssen. Weil die Gewichtszunahme als Hauptmerkmal der erfolgreichen Kur galt, mussten die Kinder alles essen, was man ihnen vorsetzte. Das waren oft sättigende aber billig eingekaufte und ekelerregende Speisen. Wer sich danach erbrach, musste das Erbrochene aufessen. Ausscheidungsvorgänge: Man musste kollektiv auf die Toilette gehen, aber nicht in der Nacht. Wer ins Bett machte, wurde bestraft und öffentlich bloßgestellt. Ein Opfer schrieb: “Wir konnten nicht aufs Klo gehen, wenn wir wollten und mussten, sondern wir sind fünfmal am Tag zum Klo geführt worden” (S. 184).

Weglaufen, Suizidversuche, Selbsttötungen: In den verschiedenen (auch außerhalb dieses Buches) Quellen wird vom Weglaufen mit schlimmen Strafen, Tendenzen, sich selbst Schaden zuzufügen bis hin zu Suizidversuchen berichtet.

Im Buch “Heimweh” von Anja Röhl findet man Angaben über zwei vollendete Selbsttötungen ehemaliger Verschickungskinder (S. 221ff.). Dazu muss angemerkt werden, dass nach meiner Kenntnis der Forschung Suizide von Kindern in der Vorpubertät sehr selten sind.

Weshalb hatten sich die meisten Eltern nicht dafür interessiert, was mit ihren Kindern in den Heimen passiert war?

Oft hatten sie Schuldgefühle, weil sie sich unzulänglich fühlten oder froh waren, dass die Kinder eine Weile woanders hin kamen.

Manchmal beschwerten sich die Eltern. Was passierte dann? Sie wurden von denjenigen Behörden abgewimmelt, die auch in die Verschickung verstrickt gewesen waren. “Als ich  dann Einzelheiten erzählt habe, ist mein Vater zur DAK gegangen und hat denen das berichtet. So wie meine Mutter sich erinnert, hat die DAK keine Reaktion gezeigt” (S. 149).

“Ich wollte zum Staat gehen und das melden” (S. 143).

Abschließende Bemerkung: Viele Eltern und Kinder wurden von Autoritäten getäuscht, einer Verschickung zuzustimmen.

Längst nicht alle Kinder kamen aus der “Unterschicht”, wie man heute sagen würde. Denn das scheint mir eine schäbige Ausrede zu sein, um eigene Verantwortung als Nachfolgeinstitution zu vertuschen.

Newsletter-Anmeldung

SPENDEN

Vielen Dank, dass Sie sich für eine Spende interessieren:

AKV NRW e.V.

IBAN DE98 3206 1384 1513 1600 00

Für eine Spendenquittung bitte eine E-Mail an:
Detlef.Lichtrauter@akv-nrw.de

Forschung 
Studien / Berichte / Dokumente

Zeitzeugen 
Persönliche Berichte / Archiv

Mitmachen 
Ehrenamt / Verein

Zeugnis ablegen
Erzähl uns deine Geschichte