Was geschah mit den Kindern in Aprath?
Grundsätzlich kann man sagen, dass diese Kinder ähnlich schlecht behandelt wurden wie in den geschilderten Fällen der „normalen“ Verschickungskinder.
Aber: Viele waren wesentlich jünger und sie wurden meistens isoliert gehalten. Es befanden sich schon Kinder schon im ersten Lebensjahr darunter.
Viele lebten über Monate alleine in einem Zimmer ohne Spielsachen. Ein Mädchen verbrachte drei Monate dort isoliert und konnte danach noch nicht sprechen.
Alle berichteten von den „gefürchteten Tanten“, also den Betreuerinnen, den sogenannten „Liegekuren“ bei welchen man schweigend und festgebunden in einem Schlafsack bei jedem Wetter auf dem Balkon liegen musste. Es kam zu erzwungenem Essen, auch das Erbrochene musste gegessen werden, Schlägen und sexuellem Missbrauch.
Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die TBC damals als übertrieben gefährlich angesehen wurde (ein Erbe der NS-Zeit?) und es andere Möglichkeiten der Heilbehandlung, etwa mit einer Beziehungsperson oder ambulant gegeben hätte.
Fachtagung am 27. Februar 2024 im Rathaus Wülfrath
An diesem Termin kam es im Rathaus von Wülfrath zu einer kurzen Fachtagung. Daran nahmen teil:
- Der Bürgermeister von Wülfrath, Herrn Rainer Ritsche
- der neue Eigentümer des Geländes, der kein Rechtsnachfolger der Klinik ist, also nichts mit diesen Vorgängen zu tun hatte, aber freundlicherweise den Zugang gestattete, Herr Jan van der Beek
- der Vorsitzendes des Vereins „Aufarbeitung Verschickungskinder“ (AVK) NRW, Herr Detlef Lichtrauter.
Es folgten Kurzvorträge von
- Nando Belardi, Univ.-Prof. für Sozialpädagogik, mit einigen allgemeinen Informationen über die Verschickungskinder
- Carmen Behrendt, Forschungsbeauftragte des AKV-NRW e.V. über die Geschichte von Aprath sowie vor allem Informationen zum Stand der Forschungen über die Medikamentenversuche an den Kindern
- Dr. Sylvia Wagner als Mitglied einer Forschungsgruppe der (Uniklinik) Universität Düsseldorf.
Danach präsentierten sich neun Betroffene, die als Kinder monate- bzw. jahrelang in Aprath „geheilt“ werden mussten, den Medien.
Das Unheilheim von Aprath
Eine von ihnen, Frau Sigrid Röder, informierte das Publikum vor laufenden Kameras über ihre schrecklichen Erlebnisse in diesem „Unheilheim“.
Bemerkenswert ist das sehr große Echo in den Medien. Neben der regionalen Presse, den regionalen TV-Sendern und Rundfunkanstalten hatten auch die großen Fernsehsender Deutschlands teilweise in Wiederholungen, darüber berichteten: ARD, ZDF, RTL, SAT1, NTV.
Einzelheiten dazu findet man im nachstehenden Medienspiegel:
ZDF
Volle Kanne 28.02.2024
Verschickungskinder erinnern sich
Kölner Stadt Anzeiger
Ehemalige Verschickungskinder besuchen Ort ihrer Qualen
Artikel
RND
„Ich wollte einfach nur weg“: Verschickungskinder besuchen den Ort ihrer Qualen
Artikel
Rheinische Post
Verschickungskinder besuchen Ruine in Aprath
Artikel
„Das Gebäude und der Geist, der dort herrschte – ich wollte einfach nur weg“
Westdeutsche Zeitung
Misshandlungen als Therapie in Wülfrath
Artikel
RTL
Opfer kehren zur ehemaligen Klinik bei Wuppertal zurück
Video
RTL
Nachtjournal
Video
ZDF 1 Heute – in Deutschland
Verschickungskinder berichten
Video
ZDF 2 Heute
Verschickungskinder besuchen Klinikruine
Video
WDR
Skandal um ehemalige Lungenheilklinik Aprath
Hörbeitrag
WDR
Lungenheilklinik Aprath: Missbrauch statt Heilung für Kinder
Artikel
WDR Lokalzeit D’Dorf (ab Min 4:13)
Lokalzeit Düsseldorf | 26.02.2024
Video
WDR Lokalzeit Bergisches Land (ab Min 4:18)
Lokalzeit Bergisches Land | 26.02.2024
Video
ARD Brisant (ab Min 12:33)
Brisant vom 26. Februar
Video
SAT1
Verschickungskinder besuchen Klinikruine
Video
ARD
Skandal um ehemalige Lungenheilklinik Aprath
Audio
Illegale Medikamenten-Tests, Schläge, Missbrauch. Die Horror-Klinik von Aprath. Opfer kehren zurück an den Ort des Schreckens
Artikel
N-TV
Fragwürdige Medikamenten-Tests an Kindern: Forscher suchen Zeugen
Artikel
Upday News
Illegale Medikamenten-Tests bei Heimkindern: Forscher suchen Zeitzeugen
Artikel
Aachener Zeitung
Forscher suchen Zeitzeugen für Studie zu Medikamenten-Tests
DPA-Meldung
RTL
Forscher suchen Zeitzeugen für Studie zu Medikamenten-Tests
DPA-Meldung
Zeit Online
Forscher suchen Zeitzeugen für Studie zu Medikamenten-Tests
DPA-Meldung
SZ Online
Forscher suchen Zeitzeugen für Studie zu Medikamenten-Tests
DPA-Meldung
Medikamententests an Kindern
Allerdings kam es auch zu nachgewiesenen Medikamententests an diesen Kindern. Auf der Fachtagung wurde zu diesem Thema von Dr. Sylvia Wagner (siehe die Besprechung ihres Buches oben) als Mitglied einer Forschungsgruppe der Universität Düsseldorf dazu referiert.
Danach: Begehung des Geländes
Wenn Opfer nach Jahrzehnten die Orte begehen, an welchen ihnen als kleine und schutzlose Kinder Gewalt angetan wurde, dann kann das bei entsprechender Vorbereitung sowie fachkundiger (therapeutischer) Begleitung eine heilsame Wirkung haben.
Im Falle von Aprath betraten man ein ansonsten gesperrtes baufälliges Gelände und sahen ein Ruinen-Monster. Diese hätte auch als Kulisse für einen Horror-Film dienen können. Es regnete. Die meisten Betroffenen waren seit den schrecklichen Erlebnissen in ihrer Kindheit, niemals mehr hier gewesen.
Später nach Gesprächen mit diesen Menschen hatte ich den Eindruck, dass dieser Besuch, auch durch die Vorbereitung, etwas heilsam gewesen sein könnte.
Oder wie Detlef Lichtrauter es sagte: „Man nimmt das damals geschädigte „innere Kind“ jetzt als erwachsener Mensch an die Hand und sagt: Hier ist eine Ruine und die kann mir nichts mehr antun.“