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Wie wollen wir im Alter wohnen? Das Wichtigste aus unserer Zoom-Veranstaltung

von Anne Termeche

Es ist ein Thema, das zurzeit viele Menschen beschäftigt. Das letzte Lebensdrittel rückt näher, körperliche Gebrechen werden wahrscheinlicher. Wohin, wenn man im Alter auf Hilfe angewiesen ist?  Sich womöglich hilflos in die Hände eines Pflegeheims zu begeben, kommt für viele ehemalige Verschickungskinder nicht in Frage.  Die Erfahrungen aus der Kinderheit während der Verschickung sind für viele einfach zu traumarisierend gewesen. Aber welche Alternativen gibt es?

Darum ging es am 17. Januar 2024 in der  Zoom-Veranstaltung “Wohnen im Alter” mit Claudia Lamsfuß, Fachreferentin beim Paritätischen für Ambulante Pflege, Hospizarbeit und Wohnen im Alter sowie Henner Buchmann und Bernd Hellbusch von dem Wohnprojekt „Grüner Weiler eG“ in Münster.  

Wie stelle ich mir mein Alter vor?

Claudia Lamsfuß stellte zunächst Wohnformen vor, die dem Wohnen zu Hause sehr nahekommen. Aber, wie finde ich heraus, was zu mir passt? Die Wohnexpertin lud alle ein, sich folgende Fragen zu beantworten:

Gedankenreise

  • Wie stelle ich mir mein Alter vor?
  • Wie sehe ich mich? Weitgehend gesund und aktiv? Oder krank und gebrechlich? Liegt schon eine Erkrankung vor? Bin ich aktiv fühle mich aber trotzdem hilfebedürftig?
  • Und ganz wichtig, weil es Wertschätzung schenkt und Selbstwirksamkeit spüren lässt: Wie will ich mich einbringen?
  • Will ich selbstbestimmt und selbstverantwortlich leben? Allein oder in Gemeinschaft?
  • Wie möchte ich unterstützt werden?
  • Und was mache ich, wenn etwas passiert: Was kommt für mich infrage, wenn ich pflegebedürftig werde?
 

Erst wenn ihr euch über eure Möglichkeiten und Bedürfnisse klar geworden seid, kommt die Frage nach der Wohnform:

  • Wie will ich im Alter wohnen?
  • Will ich so lange wie möglich in der Wohnung bleiben, in der ich lebe?
  • Will ich in einer eigenen Wohnung wohnen, in einem Haus, in dem Gemeinschaft erlebt werden kann?
  • Will ich in einer eigenen Wohnung wohnen, aber in einem Haus, in dem es leicht Zugang zu Pflegeangeboten gibt?
  • Will ich in einem Altenheim leben?
  • Oder in einer Senioren-WG?
 
 
 
 

Egal, welche Wohnform ihr wählt, ich rate dazu, von Anfang an die Pflegebedürftigkeit mitzubedenken. Was mache ich, wenn ich oder mein Partner plötzlich Unterstützung brauchen? Wie organisiere ich Hilfe? Die Wohnmodelle, die sie vorstellt, gehen davon aus, dass jede/jeder von uns zu Hause oder wie zu Hause leben möchte, mit ambulanter Pflege, wenn erforderlich, so lange wie es möglich ist.

Claudia Lamsfuß, Quelle: Der Paritätische, Fotograf: Frank Sonnenberg

Kosten

Pflege ist mit Kosten verbunden, das wissen wir alle. Bei einer stationären Einrichtung wird ein Teil des Eigenanteils, wenn man sich das nicht leisten kann, durch den Sozialhilfeträger übernommen. Bei der ambulanten Pflege ist das nicht so. Da müssen die Eigenanteile entweder selber getragen werden oder aber die Pflege muss reduziert werden. Es muss also immer individuell überlegt werden, wie man den Hilfsbedarf insgesamt abdecken kann. Wer sich erst einmal ganz allgemein informieren möchte, dem empfiehlt Claudia Lamfuß sich an die Senioren- und Pflegeberatungsstellen (siehe Linkliste) der Kommunen zu wenden. Die Beratung ist kostenlos. Am Beispiel „Wohngeld“ zeigt sie auf, wie wichtig es ist, gut informiert zu sein.

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„Vergessen Sie nicht das Wohngeld. Es ist nicht beschämend, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie sind dafür da, dass Menschen, die nicht so gute Teilhabe-Möglichkeiten haben, eine Förderung erfahren. Sorgen Sie für sich! Es ist ihr Recht! Mittlerweile haben auch Menschen in einer stationären Einrichtung Anspruch auf Wohngeld. Viele wissen das nicht.“

Erläuterungen zur Grafik

  • Ich lebe zu Hause, in einem Haus oder einer Wohnung und bin für das eigene Wohnumfeld verantwortlich. Ich gestalte die Wohnung barrierefrei um, sodass das Wohnen zu Hause länger möglich ist. Ich organisiere die Pflege selbst oder mithilfe von Angehörigen. Informationen dazu geben Seniorenberatungsstellen der Kommunen.

 

  • Ich entscheide mich für betreutes Wohnen, bzw. Wohnen mit Service, auch betreutes Wohnen genannt. Servicewohnanlagen sind vielfach an Altenheime oder stationäre Einrichtungen angedockt. In der Regel wird Wert darauf gelegt, dass ein gewisses Gemeinschaftsleben stattfindet, es gibt Begegnungsangebote (Gesang, Basteln, Ausflüge), die man wahrnehmen kann aber nicht muss. Man wohnt in einer eigenen Wohnung, diese sind immer barrierefrei. Viele Wohnanlagen bieten sozial geförderte Wohnungen, das heißt, die Mieten sind geringer als auf dem normalen Wohnungsmarkt. Zu der Wohnung gehört im Haus ein kostenpflichtiges Basis-Serviceangebot, darüber hinaus werden Wahlleistungen angeboten, z.B. eine Putzfrau, Hausmeisterservice, Fußpflege, Friseur etc.

 

Der Pflegebedarf ist bei solch einer Servicewohnanlage nicht inbegriffen. Hier sucht man sich einen Pflegedienst nach eigener Wahl. Unterstützung gibt es über das Basis-Serviceangebot bzw. die Betreuungspauschale. Darüber wird eine Person im Haus finanziert, die dabei begleitet, das passende Pflegeangebot zu finden und einen Pflegedienst zu beauftragen. Die Betreuungspauschale bewegt sich in der Regel so um die 100 Euro.

 

  • Eine weitere Wohnform ist das Wohnen in Gemeinschaft. Gemeinschaftliche Wohnprojekte leben davon, dass Menschen zusammenfinden, die die Idee verfolgen, sich gegenseitig zu unterstützen. In der Regel finden sich in der Anfangsphase ein paar Leute zusammen, die das Projekt vorantreiben, dann werden die Gruppen größer, bilden eine entsprechende Rechtsform, z.B. eine Genossenschaft. Die Mitstreiter leben später in einem Wohnumfeld und Wohnungen, die sie mitentwickelt haben. Dazu gehören oft Gemeinschaftsräume, Gärten und Projektgruppen-Angebote. Nachteil: Es muss in der Regel viel Geld aufgebracht werden. Auch hier kommt ein Pflegedienst, wenn Pflegebedarf vorhanden ist. Er muss organisiert werden. In den allermeisten Wohnprojekten gibt es bereits Vereinbarungen, dass man sich gegenseitig unterstützt, jedoch Pflege nicht erbracht wird, es also keine Verpflichtung dazu gibt.

 

  • Anders ist es bei den Pflege-Wohngemeinschaften. Das sind Wohneinheiten, in denen Menschen mit Pflegebedarf zusammenleben, höchstens 12 in einer Einheit. Sie beauftragen gemeinschaftlich einen Pflegedienst, der im Alltag begleitet. Man kann jedoch nur einziehen, wenn ein Pflegegrad vorliegt. Die Kommunen übernehmen einen Teil der Kosten. Es ist günstiger als die Pflege zu Hause, allein. Auch Angehörige können eingebunden werden.

 

  • Das Wohnen in Gastfamilien ist eine relativ neue Spielart. Man lebt in einem Zimmer oder in einer Einliegerwohnung der Gastfamilie, so dass der Senior nicht mehr alleine in seiner Wohnung leben muss und vereinsamt, sondern Anschluss hat. Die Pflege ist nicht Aufgabe der Gastfamilie. Sie muss organisiert werden.

Auf Solidarität gebaut: Das genossenschaftliche Wohnprojekt „Grüner Weiler eG“

Für Henno Buchmann und Bernd Hellbusch ist ihr Traum vom Wohnen im Alter schon wahr geworden. Sie beide werden ab 2025 im genossenschaftlichen Wohnprojekt „Grüner Weiler eG“ in Münster leben und dort auch ihren Lebensabend verbringen können, wenn sie das möchten. Der „Grüne Weiler“ bietet Wohnraum für 250 Menschen, die Teil einer solidarischen Gemeinschaft sind oder es werden wollen. Das Besondere: Auch für pflegebedürftige Menschen ist Platz, nämlich in einer Wohnpflegegemeinschaft. So können Pflegebedürftige bis zuletzt selbstverantwortlich in einer eigenen Wohnung leben und Teil einer Gemeinschaft bleiben.

Henner Buchmann, 75 Jahre alt, gehört seit sieben Jahren dem Vorstand des „Grünen Weiler“ an. Die Genossenschaft gibt es seit 2016, gegründet mit 77 Mitgliedern. Mittlerweile sind es fast 500. Auf einem ein Hektar großen Grundstück, der ehemaligen Oxfordkaserne, dass die Genossenschaft in Erbpacht übernommen hat, entstehen seit Juni 2023 drei Häuser mit etwas über 100 Wohnungen für 250 Menschen. Bezugsfertig werden die Häuser im ersten Quartal 2025. Es gibt noch wenige freie Wohnungen. Wer Interesse hat, möge eine kurze Mail schicken und wird dann zu einem Infotermin eingeladen. Die Wohnungen werden durch die Genossenschaft vergeben.

 

Quelle Grüner Weiler eG

Das Konzept

  • Solidarprinzip

Für den Grünen Weiler entscheiden sich Menschen, die in solidarischer Gemeinschaft leben wollen, denen Ökologie, Nachhaltigkeit, Mobilität und Energieeffizienz wichtig ist. Fit und mit Beeinträchtigung, jung oder alt, mit oder ohne Migrationshintergrund. Menschen, die sich einbringen wollen. Wo früher die Panzerwaschanlage der Oxfordkaserne war, entstehen seit 2023 Wohneinheiten, mit Solaranlagen und begrünten Fassaden, Gemeinschaftsräumen und -flächen, samt großem Innengarten. Die Bewohner können Sharing-Angebote für E-Autos und Lastenräder nutzen. Im Quartiersraum sind einmal Kieztreffen angedacht, es wird einen 100 m² großen Veranstaltungsraum für etwa 80 Gäste geben, eine Holzwerkstatt, eine Metall- und Fahrradwerkstatt, ein Textilatelier, einen Fitness- und Yoga Raum, eine Sauna und – weil es keine Badewannen in den Wohnungen gibt, auch einen Wellnessbereich. Es gibt eine Gästewohnung, die Platz für eine ganze Familien bietet und von jedem:r Bewohner :in genutzt werden kann.

  • Finanzierung

Auch die Finanzierung dieses Projektes fußt auf Solidarität. Die Gesamtkosten betragen 47 Mio. Euro. 50% der Wohnungen sind öffentlich gefördert. 10 Millionen müssen die Genossinnen und Genossen selbst aufbringen. Der Rest wird über Bankkredite aufgebracht.

Die Finanzierung läuft über sogenannte nutzungsbezogene Anteile, die gestaffelt sind in geförderte Wohnung mit WBS A oder B oder frei finanziert. Jeder, der einziehen will, muss pro m² einen bestimmten Betrag bezahlen. Ein Beispiel: Eine 2.5 Wohnung mit 60 m² mit WBS B, die nutzungsbezogene Anteile betragen 1000,– Euro pro m2. Macht 60.000 Euro. Das Eigenkapital ist eine Hürde von allen Wohnprojekten. Die Genossenschaftsanteile bekommt man bei Auszug zurück.

Für Mitglieder, die das Geld für die nutzungsbezogenen Anteile nicht aufbringen können, hat der „Grüne Weiler eG“ einen Solidarfonds aufgelegt. Dort zahlen Genossinnen und Genossen, die ein bisschen Geld über haben ein, damit andere Mitglieder, die kein Eigenkapital mitbringen können, davon profitieren können.

  • Ausstattung

Alle Wohnungen sind barrierefrei. Es gibt Ein- und Zweiraumwohnungen, Familienwohnungen und Clusterwohnungen. Das sind Groß-WGs, dort hat jeder ein eigenes Apartment mit Bad/WC, die Apartments gruppieren sich um einen großen Gemeinschaftsraum herum.

  • Möglichkeiten bei Pflegebedürftigkeit

 Es gibt sechs solche Cluster, einer davon ist eine selbstverantwortete Wohnpflege-WG. Der Grüne Weiler hat von Anfang die Pflegebedürftigkeit seiner Bewohner mitgedacht. Neun barrierefreie Appartements, zwei davon rollstuhlgerecht, gruppieren sich um einen Gemeinschaftsraum, dazu gehört ein direkter Zugang zum Garten. In jedem Appartement gibt es die Möglichkeit, eine Miniküche anzuschließen, so bewahrt jeder seine eigene Häuslichkeit. Ergänzend gibt es zwei Funktionsräume, um es dem Pflegedienst etwas leichter zu machen. Und ein Gästezimmer, damit Besucher der pflegebedürftigen Personen übernachten können.

 

„Wir wollen diesen Ausgrenzungsmechanismen, die mit Alter und Pflegebedürftigkeit häufig einhergehen, entgegentreten. Menschen mit Pflegebedarf sollen sichtbar bleiben! Wir sind Nachbarn und wollen uns gegenseitig unterstützen.“

Links und Infos

Infos rund um das Thema Pflege / Wohnen im Alter


 

Infos zu Wohnprojekten


  • Forum für gemeinschaftliches Wohnen e.V. in Hannover (Bundesvereinigung mit Mitgliedsorganisationen in fast allen Bundesländern) https://verein.fgw-ev.de/

 

Wohnprojekte, die genannt wurden:

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