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In Niendorf am damaligen Kinderkurheim Antoniushaus/St. Johann (heute Mutter-Kind-Kurheim Haus Maria Meeresstern), wohin in den Jahren 1950 – 1990 viele Kinder verschickt wurden und z.T. sehr Leidvolles erfuhren, wurde ein Gedenkstein aufgestellt. Ich bin eines dieser Verschickungskinder, war Anfang 1966 im tiefsten, oft nebeligen Winter für sechs Wochen in Niendorf.
Ja, ich begrüße es, dass man der Kinder gedenkt, denen Gewalt in diesen beiden Häusern widerfuhr. Nach dem Lesen der am Gedenkstein angebrachten Tafel „In Erinnerung an die Kinder, die in unseren Kurheimen Gewalt erfahren haben. Wir blicken mit Scham und Trauer auf diese Zeit zurück. Ihr Leid ist uns Mahnung und Auftrag für die Zukunft“ entstand in mir zunächst ein etwas nebulöses Gefühl, für das ich erst ganz allmählich Worte fand:
Wenn die heute Verantwortlichen Scham und Trauer empfinden und das Leid der vielen Kinder Mahnung und Auftrag für die Zukunft sein soll, ist das sicher löblich und auch eines unserer Ziele als Verschickungskinder: So etwas darf nie, nie wieder passieren!
Es ist die Bitte um Verzeihung, die sich an uns Verschickungskinder richtet.
Der Gedenkstein wirkt wie ein Nachruf für bereits Verstorbene. Aber die meisten von uns leben noch! Was viele Hunderte von uns erlitten haben und uns fürs Leben beschwerend prägte, braucht mehr als nur Erinnerung und Gedenken, mehr als die Scham und Trauer heute Verantwortlicher.
Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif: Der Orden hat immerhin begonnen, sich mit Unterstützung einer Fachfrau mit den Jahren 1970 – 1990 zu beschäftigen und mit Betroffenen aus Netzwerk B. Gespräche zu führen und darüber auf seiner Homepage zu veröffentlichen. Mir wurde auf Nachfrage versichert, dass man bzgl. der Jahre 1950 – 1970 noch Erfahrungsberichte sammele und auch diese Ergebnisse zu gegebener Zeit veröffentlichen wolle. Zugleich wurde mir ein konkretes Gesprächsangebot gemacht. Das begrüße ich ausdrücklich und werde es annehmen.
Zeit heilt nicht, wie es oft heißt, alle Wunden. Die Bitte um Entschuldigung an uns Verschickungskinder kann aber (mir jedenfalls) zum Türöffner werden und vielleicht sogar ein großer Schritt (von weiteren) auf dem Weg zur Versöhnung mit einer schwer zu ertragenden Geschichte sein.
Inzwischen war ich mit einer Gruppe von Verschickungskindern in Niendorf und im Heim. Die Tafel des Gedenksteins wächst allmählich durch Rosen zu.
Marianne Mayland, Bonn im Juni 2024
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