A.K.
Verschickt aus (damaliger Heimatort) *: Solingen
Jetzt wohnhaft in: Solingen
Name des Trägers: BEK Barmer Ersatzkasse
Kostenträger:
Verschickungsort: Haffkrug
Name des Verschickungsheims: wahrscheinlich Haus Marion
Zeitpunkt der Verschickung: Sommer 1965
Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Einfach nur schrecklich. Ich muss damals 8 Jahre alt gewesen sein, als ich von der BEK nach Haffkrug geschickt wurde. Meine Eltern wollten mir bestimmt nichts Böses antun. Aber für mich waren diese 6 Wochen der absolute Horror. Leider kann ich mich nicht mehr an viele Dinge erinnern. Bestimmt habe ich das meiste verdrängt.
Auf jeden Fall hatte ich mich zunächst auf diese Ferien gefreut. Ich bekam einen Rucksack von der BEK und irgendwann wurde ich dann in den Zug gesetzt. Von da an hapert es an Erinnerungen. Weder an die Zugfahrt noch den Aufenthalt in dem Heim. Ich weiß nur noch, dass man uns am Anfang unser Taschengeld abgenommen hat, damit wir das nicht auf einmal ausgeben. Ich kann mich aber auch nicht erinnern, dass wir davon mal etwas bekommen haben. Aber am Ende der Zeit bekamen wir es dann wieder, damit wir im Haus Andenken kaufen konnten.
Außerdem mussten wir immer einen Mittagsschlaf halten. Und mal aufstehen war auch verboten. Strikte Bettruhe. Natürlich konnte keiner schlafen. Alle lagen in den Betten. Reden durfte man auch nicht. Ich weiß nicht, wie lange das dann so ging.
Irgendwann war es dann vorbei. Das Essen war ebenfalls schrecklich. Aber wir mussten immer den Teller leer machen. Ansonsten saß man ziemlich lange im Speisesaal, bis man den Fraß runtergewürgt hatte. Dann gab es oft so ekeligen Griesbrei. Ich hasse Griesbrei und regelmäßig Lebertran.
Außerdem mussten wir immer die Zimmer und Betten in einem tadellosen Zustand halten. Es gab dann irgendein Punktesystem, womit man sich dann irgendwie Vergünstigungen erschleichen konnte.
An andere Kinder / Freundschaften und Betreuer kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Irgendwie war man wohl auf sich selbst gestellt. Auch an irgendwelche Spiele, wie Fußball etc. oder im Garten habe ich keinerlei Erinnerungen. Ich weiß nur, dass wir einmal in den 6 Wochen am Strand waren, obwohl dieser nur ein paar hundert Meter entfernt war. Und dann waren wir auch mal in Bad Segeberg zu den Karl May Festspielen. Ansonsten mussten wir immer regelmäßig viel laufen / wandern. Manchmal kamen wir dann auch an irgendwelche Buden / Kiosk / Eis vorbei. Wir hatten Durst, aber kein Geld. Also gab es da auch nichts für uns zu holen.
Wie gesagt. Ich habe weder Erinnerungen an das Haus noch an die Zimmerkollegen und Betreuer. Nur das ich in all den letzten 60 Jahren nie wieder an die Ostsee gefahren bin. Erst vor kurzem war ich mit meiner Frau in Lübeck und da kam dieser Albtraum wieder hoch. Ich habe ihr dann davon erzählt, und wir sind dann kurzerhand nach Haffkrug gefahren und haben ein bisschen im WWW recherchiert. Dabei bin ich dann auch auf andere Leidensgenossen gestoßen. Ich dachte immer, dass ich der Einzige bin. Meine Eltern haben mir das auch nicht wirklich geglaubt.
Über diese Zeit wurde dann auch nicht mehr gesprochen.
Jedenfalls gibt es das ehemalige Heim wohl nicht mehr. An dieser Stelle steht heute eine schöne Wohnsiedlung. Aber das Haus Marion lebt weiter. Die Ahnen haben da wohl eine Ferienanlage hingebaut. http://www.hausmarion.de/
Anonymisierungs-ID: aqr

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