40545 Oberkassel, 1955

Nackt vor allen Kindern verprügel

Von: B.T.

Ich bin selbst als Kind dreimal verschickt worden. Im Alter von 6 Jahren wegen angeblicher
Tuberkulose nach Oberkassel (Bonn). Aufenthalt 1955, ca 8Monate.
Mit 9 Jahren für 6 Wochen nach Glücksburg , Haus Ansgar. Dann mit 11 Jahren nach Bad
Rothenfelde, auch 6 Wochen. Angeblich war ich zu dünn. Ich kann alles bestätigen, was in Ihrem
Artikel über den Umgang mit Kindern gesagt wurde. Heute frage ich mich, warum die
sogenannten „Tanten“ überhaupt mit Kindern arbeiteten. Ich hatte bei allen drei Aufenthalten
den Eindruck, dass sie Kinder überhaupt nicht leiden konnten, ja sogar hassten. Sie arbeiteten
alle nach einer scheinbar gemeinsam gültigen Methode, den Willen der Kinder zu brechen und
sie möglichst gefügig zu machen. Dazu gehörten entwürdigende, demütigende Behandlungen,
Prügel, alle möglichen quälenden Verbote, wie z. B. das Verbot, die Toilette aufzusuchen, wenn
man musste. Wir hatten so lange zu warten, bis die gemeinsamen Toilettengänge angesagt
wurden. Dann mussten alle Kinder in einer langen Reihe vor der Tür warten, bis sie dran waren.
Die Toilettentür musste während dieser Prozedur offenbleiben, was entsetzlich peinlich war.
Jedes Kind bekam vorher 2 Blatt Toilettenpapier, das musste reichen.   Wenn ein Kind dringend
zur Toilette musste und in die Hose machte, weil es noch nicht dran war oder weil der
Toilettengang nur zweimal am Tag gestattet war, bedeutete der ausnahmslos Prügel. Meistens
musste man sich dafür nackt ausziehen und alle mussten zusehen. Nachts war der Gang zur
Toilette generell streng verboten.
Zusätzlich gab es noch das Trinkverbot, damit man nicht einnässte. Zum Frühstück und zum
Mittagessen gab es für jeden nur eine kleine Tasse Wasser, Milch oder Kinderkaffee. Dann gab es
noch in allen Einrichtungen den Zwang, alles aufzuessen, was auf den extrem vollgeladenen
Tellern lag. In Bad Rothenfelde war man sogar verpflichtet, 2 Portionen hintereinander zu essen.
Wenn ein Kind sich erbrach, musste das Erbrochene wieder aufgegessen werden.
Wir durften auch keine persönlichen Gegenstände behalten, das war in allen Einrichtungen
gleich. Kuscheltiere, Bücher, Photos von den Eltern, alles wurde sofort zu Beginn eingesammelt
und nie wieder ausgehändigt.
Alle Briefe nach Hause wurden zensiert. Bei Beschwerden an die Eltern musste der Brief neu
geschrieben werden.
2x am Tag war Spazieren gehen angesagt. Wir mussten immer in Zweierreihen laufen und dabei
im Chor irgendwelche „fröhlichen“ Volkslieder singen.
Diese Behandlungsmethode galt für alle drei Heime, die ich kennengelernt habe. Die Regeln
waren praktisch austauschbar.
Am schlimmsten für mich war jedoch der Aufenthalt in Bonn Oberkassel im „Haus Ebton“, ein so
genanntes „Kindersanatorium“. Bei meiner Einschulungsuntersuchung in Bochum sagte man
meinen Eltern, auf der Röntgenaufnahme meiner Lunge wären Anzeichen für eine „inaktive
Tuberkulose“, weshalb ich für 8 Wochen in ein Sanatorium musste.
Diese Ansage vom Amtsarzt wurde von meinen Eltern nicht hinterfragt, sie glaubten alles, was
Ärzte sagten. Ich wurde von meinen Eltern am Bahnhof einer fremden Frau übergeben, die mich
nach Oberkassel brachte. Das Heim machte einen sehr schönen Eindruck, es lag in einem großen
Park und wirkte wie ein sehr vornehmes Einfamilienhaus.
Mit mir waren dort noch etwa zehn andere Mädchen. Die meisten waren älter als ich. Für uns

war „Schwester U.“ zuständig, sie hatte hellblonde Haare und knallrote, sehr lange Fingernägel.
Es wurde nicht viel gesprochen, man nahm mir meinen Koffer ab und zeigte mir mein Bett direkt
am Fenster in einem großen Schlafsaal.
Als ich Schwester U. eine Frage stellte, sagte sie, ich dürfe nur reden, wenn ein Erwachsener mir
eine Frage stellte. Das war für mich sehr einschüchternd.
Abends gab es dann für alle Milchsuppe, auf der eine dicke Haut schwamm. Die Haut legte ich am
Teller ab, denn ich ekelte mich sehr davor. Ich wurde sofort von der Schwester angeschrien, dass
„hier alles aufgegessen wird“, Extrawünsche sollte ich mir abgewöhnen und den Satz „Das mag
ich nicht“ auch.
Danach wurde es für mich noch schlimmer. Alle Mädchen mussten sich nackt auf dem Bauch auf
ihre Betten legen und bekamen von einem der älteren Kinder ein Thermometer in den Po
gesteckt. Ich schämte mich entsetzlich, so etwas kannte ich von zu Hause nicht. Dort wurde die
Temperatur unter dem Arm gemessen. Man sagte mir, ich solle kein Theater machen, sonst
würde man mir wehtun.
Die Vorstellung, alles würde 8 Wochen lang immer so weiter gehen, war furchtbar, und ich lag
abends weinend im Bett.
Es sollte alles noch viel schlimmer kommen. Nachts wurde ich wach, weil ich auf die Toilette
musste. Es war alles stockdunkel, ich wusste nicht mehr, wo ich war und irrte durch die Gegend,
auf der Suche nach der Toilette. Die Nachtschwester erwischte mich auf dem Gang, und als ich
sie fragte, wo die Toilette wäre, schrie sie herum, fragte, ob ich nicht wüsste, dass es verboten
wäre, nachts aufzustehen.  Später erfuhr ich dann, dass nachts auch das Wasser abgestellt
wurde, damit man feststellen konnte, ob jemand unerlaubt die Toilette benutzt hatte. Ich wurde
wieder ins Bett gebracht und hatte eine Riesenangst, einzuschlafen, weil ich so nötig musste und
Angst hatte, im Schlaf das Bett nass zu machen. Das war mir zu Hause noch nie passiert, denn ich
durfte immer zur Toilette, wenn ich musste.
Irgendwann war ich dann doch eingeschlafen und wurde von der wütenden Schwester U.
geweckt. Als ich aufstand, sah ich, dass mein Bett doch nass geworden war. Sie packte mich bei
meinen langen Zöpfen, schüttelte mich voller Wut und schrie, dass sie mir jetzt zeigen würde,
was mit „Pissern“ passierte. Alle anderen Kinder wurden gerufen, sie mussten sich im Kreis um
mein Bett herumstellen. Ich musste mich. nackt ausziehen und auf das Bett legen . Schwester U.
nahm einen meiner Pantoffeln und verprügelte mich mit aller Kraft mit der Gummisohle. Die
dicke Gummisohle verursachte Striemen wie von einer Peitsche und es tat schrecklich weh. Je
mehr ich schrie, desto fester schlug sie zu.
Der Arzt, der mich am nächsten Tag untersuchte, sagte nur: „Na, du hast es ja schnell geschafft,
dich unbeliebt zu machen.“
Da wusste ich, dass mir niemand helfen würde, dass ich dieser Schwester ausgeliefert war. Von
da an zählte ich nur die Sonntage, weil ich dachte, ich dürfte nach acht Wochen nach Hause. Ich
hatte mich innerlich irgendwie „abgeschaltet“. Mir war alles egal. Ich sprach mit niemandem,
antwortete nur auf Fragen, so knapp wie möglich. Ich wusste, dass ich an einem schrecklichen
Ort gelandet war. Meine Eltern bekamen eine Postkarte, dass es mir gut ginge, hinten drauf war
ein Stempel, dass Besuche verboten waren.

Während meines Aufenthaltes im Haus Ebton in Oberkassel stand ein paar Wochen lang ein
Kinderbett am Fußende meines Bettes am Fenster. Darin war ein kleiner Junge, der gerade erst
stehen konnte. Ich denke, er war etwas älter als ein Jahr. Er war Tag und Nacht mit Verbandsmull
an den Gitterstäben festgebunden, wahrscheinlich, damit er nicht versuchte, aus dem Bett zu
klettern.  Nachts, wenn er weinte, habe ich ihn gestreichelt, weil er mir sehr leid tat. Sein Name

war „Ö.“, ich denke, das kann nur der Nachname gewesen sein. Er wurde aber immer nur mit
diesem Namen erwähnt und angesprochen.
Eines Tages kamen seine Eltern und wollten ihn abholen. Vorher hatte ihn niemand besucht. Als
sie sahen, dass er im Bett festgebunden war, weinte die Frau sehr, und der Vater beschwerte sich
lautstark bei Schwester U.. Ich fragte ihn ganz leise, ob er nicht bitte meinen Vater anrufen
könnte, der arbeitete in Bochum beim Bauverwaltungsamt und hatte ein Telefon auf dem
Schreibtisch. Ich bat den Vater des Jungen, er sollte meinem Vater erzählen, dass es mir nicht gut
ginge und er mich abholen müsste.
Der Mann streichelte meinen Kopf und sagte.“ Ich kann dir leider überhaupt nicht helfen“. Sie
nahmen den kleinen Jungen mit und ich war sehr traurig, weil mein Vater keine Nachricht von
mir bekommen würde.
Ich wüsste jetzt gerne, ob jemand mit dem Namen „Ö.“ sich erinnern kann, für ein paar Wochen
als Kleinkind im Haus Ebton gewesen zu sein. 
Meine Mutter schickte mir ein Päckchen mit einem selbst gebackenen Kuchen und ein paar
Süßigkeiten. Den Kuchen nahm die Schwester an sich, ich habe nie ein Stück davon gesehen. Die
Bonbons wurden an die anderen Kinder verteilt. Ich bekam nichts, ich sollte „merken, dass ich
nichts Besonderes war.“
Als ich an einer Stelle unter meinem Bett, wo es niemand sehen konnte, acht Striche mit dem
Fingernagel in die Wand geritzt hatte, wusste ich, dass acht Wochen um waren und fragte, ob ich
jetzt nach Hause dürfte . Der Arzt sagte: „Wann du nach Hause darfst, bestimme ich allein.“ Ein
Kind sagte mir, das mit den acht Wochen hätte man ihnen auch erzählt. Sie wären alle schon viel
länger dort. Von da an wusste ich, dass ich ausgeliefert war und dass mir niemand helfen würde.
Ich bekam jeden Tag viele Tabletten, von denen ich immer sehr müde war. Manchmal habe ich
mich auf den Spaziergängen einfach auf den Boden gesetzt und wurde von den anderen
Mädchen einfach mitgeschleift. Wir mussten sowieso mehrere Stunden am Tag unbeweglich im
Bett liegen, wenn es nicht regnete, auf Pritschen an der frischen Luft.
Das wurde als „Liegekur“ bezeichnet. Trotz des vielen Liegens war ich immer todmüde. Es war
mir auch egal. Irgendwann sah ich, dass draußen auf den Straßen Weihnachtsschmuck 
angebracht wurde. Weihnachten würde ich doch bestimmt nach Hause dürfen! Als ich den Arzt
fragte, sagte er, ich hätte immer noch nicht genug zugenommen, ich wäre selbst schuld, dass ich
noch nicht nach Hause dürfte.
Das Essen bereitete mir tatsächlich große Probleme. Mein Teller war stets total überladen, von
Milch wurde es mir schlecht. Ich musste mich deshalb oft beim Essen übergeben.
Dann wurde ich mit dem Erbrochenen zwangsgefüttert. Das sah so aus, dass man meinen Kopf
nach hinten zerrte, die Zöpfe an der Stuhllehne festband, eins von den größeren Mädchen mir
die Nase zuhielt, damit ich den Mund aufmachte und Schwester U. mir das Erbrochene mit dem
Löffel in den Mund stopfte. Manchmal habe ich dann einen Teil des  Erbrochenen eingeatmet und
bekam keine Luft mehr. Einmal konnte ich nicht mehr aufhören zu husten und sie bekam einen
Teil davon auf die Schürze. Da schrie sie, so ein elendes Blag sollte man eigentlich verrecken
lassen.
Kurz vor Weihnachten mussten alle Kinder ihre Sachen packen und in das benachbarte Haus
Bernward umziehen. Das Haus Ebton wurde angeblich geschlossen. Ich fragte wieder, ob ich
nach Hause dürfte. Schwester U. sagte mir, sie könnte sich sehr gut vorstellen, dass meine Eltern
mich nicht mehr haben wollten. Deshalb wäre ich wohl noch dort. Von da an wünschte ich mir zu
sterben. Ich wusste, das alles würde nie enden, ich war für immer ausgeliefert. Jeden Abend
betete ich, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen würde. Der Wunsch wurde nicht
erfüllt. Deshalb dachte ich, ich wäre vielleicht schon tot und in der Kinderhölle gelandet. Meine
Eltern, besonders meine Mutter, waren sehr streng katholisch und hatten mir davon erzählt.

Dann kam am zweiten Weihnachtstag überraschend mein Vater zu Besuch. Trotz des
ausdrücklichen Verbotes hatte er sich nicht abweisen lassen. Er sagte, er hätte die Erlaubnis, mit
mir eine Stunde spazieren zu gehen. Er nahm mich mit in die Bahnhofsgaststätte und wollte
etwas zum Essen bestellen. Ich sagte ihm, dass ich nichts essen dürfte, weil ich dann Prbleme
hätte, die abendliche Milchsuppe zu essen.  Stattdessen trank ich eine ganze Flasche Limonade
auf einmal aus. Da wir nur sehr wenig zu trinken bekamen, hatte ich ständig schrecklichen
Durst. Auf der Toilette wurden wir ständig überwacht, damit wir nicht heimlich Wasser tranken.
Manchmal schaffte es ein Kind, beim Spielen heimlich eine Handvoll Wasser aus dem Rhein zu
trinken. Dann wurde ein Mädchen dabei erwischt, und wir wurden noch stärker überwacht. Da
mein Bett direkt am Fenster stand, konnte ich in der Nacht ab und zu das Schwitzwasser von der
Scheibe lecken.  Ich weiß nicht mehr, was schlimmer war, der ständige Durst oder die Angst vor
der Prügelstrafe.
Als mein Vater fragte, erzählte ich ihm davon und fragte auch, ob es stimmte, dass sie mich zu
Hause nicht mehr haben wollten. Er war sehr entsetzt und sagte mir, dass er eigentlich
gekommen sei, um mich abzuholen. Der Arzt habe ihm aber gesagt, es würde noch ein paar
Monate dauern, weil noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen wären.
Als wir zurückkamen, hatte mein Vater noch ein Gespräch mit dem Arzt. Ich musste draußen auf
dem Flur warten und hörte, wie er und Dr. M. sich anschrien.
Dann kam mein Vater heraus und fragte mich, ob das auch alles stimmte, was ich ihm erzählt
hatte. Ich bestätigte es noch einmal, aber er schaute mich sehr zweifelnd an. Dann sagte er Dr. M.
habe ihm versichert, dass alles gelogen sei. Man habe mich schon öfter dabei erwischt, dass ich
mir Lügengeschichichten ausgedacht hätte. Ich versuchte, meinen Vater zu überzeugen, aber er
hatte immer noch große Zweifel. Er versprach mir aber, dafür zu sorgen, dass ich bald nach
Hause dürfte.
Nachdem er gegangen war, wurde ich noch einmal in das Sprechzimmer von Dr. M. gerufen.
Schwester U. war auch dabei. Beide stritten alles ab, was ich meinem Vater erzählt hatte, und Dr.
M. sagte mir Folgendes: “ Wenn du noch einmal solche Lügen über uns und dieses Heim
verbreitest, werde ich es erfahren. Egal wem und egal wo du es erzählst, ich erfahre alles. Dann
wird man dich für dein ganzes Leben in ein Erziehungsheim stecken und du wirst deine Eltern
nie wiedersehen. “ Natürlich hielt ich mich daran. Aus Angst erzählte ich nichts von allem, was
mir widerfahren war. Ich war mir sicher, dass mein Vater mir auch jetzt nicht glauben würde.
Lange Zeit habe ich mich total zurückgezogen und auch mit meiner jüngeren Schwester kaum
geredet. Sie durfte schließlich die ganze Zeit bei meinen Eltern sein, während ich in diesem Heim
misshandelt wurde. Ich war total abgemagert und hatte Läuse. Meine Zöpfe wurden
abgeschnitten und ich wurde laufend zum Essen angehalten. Mein Vater ging sogar so weit, dass
er mir drohte, mich wieder nach Oberkassel zu schicken, wenn ich nicht esse. Tatsächlich
erfolgten auch noch zwei weitere Verschickungen, allerdings, weil meine Mutter schwer
erkrankte und 2-mal längere Zeit ins Krankenhaus musste. Wie schon oben erwähnt,
unterschieden sich die „Tanten“ sowohl in Glücksburg als auch in Bad Rothenfelde nicht
wesentlich von denen in Oberkassel. Meiner Schwester glaubten meine Eltern sofort, als sie sich
beklagte, mein Vater hat sich sogar bei der Stadt Bochum beschwert, die für beide Heime
verantwortlich war. Man sagte ihm damals, die Angestellten gäben ihr Bestes, und die Kinder
wären eben manchmal ungezogen, sodass man durchgreifen müsste.
Das Verhältnis zu meinen Eltern war seitdem irreparabel geschädigt. Ich redete mit niemandem
über diese Zeit, bis ich zusammen mit meinem Mann den Bericht über Haus Bernward und in
Zusammenhang damit auch Fotos von Dr. M. sah. Ich habe ihn sofort wieder erkannt. Ich erzählte
meinem Mann alles, nahm Kontakt mit Anja Röhl auf, die mit einem Buch über diese
Verschickungspraxis Aufmerksamkeit erregt hatte und schloss mich auch dem von ihr
gegründeten Forum an. Nach über 60 Jahren konnte ich endlich mit anderen Betroffenen reden,

die Ähnliches erlebt hatten wie ich. Ich erfuhr auch, dass Dr. M. noch etwa 15 Jahre mit seinen
Aktivitäten in Oberkassel weitermachen konnte. Er wurde erst Anfang der siebziger Jahre aus
seiner Position als leitender Arzt im Haus Bernward entfernt, nachdem der Kinderschutzbund
informiert worden war. Außerdem soll er schon während der Nazizeit in Kinderheimen als Arzt
gearbeitet und dort Kinder misshandelt haben. Inzwischen ist er auch verstorben. Seine
Naziorden wurden ihm bei der Beerdigung auf einem Samtkissen hinterhergetragen. Ich
wünsche ihm, dass er dort gelandet ist, wo ich als Kind zu sein glaubte: In der Hölle.
Im Januar dieses Jahres hat mich das Geschehen in Oberkassel doch noch mal eingeholt. Ich hatte
eine Lungenentzündung und meine Lunge wurde geröntgt. Der Röntgenarzt fragte mich, warum
ich auf dem Fragebogen eine Tuberkulose angegeben hätte. Die Aufnahme ließe nicht darauf
schließen, dass eine solche Erkrankung stattgefunden hatte. Man müsste bei einer Erkrankung,
die einen so langen stationären Aufenthalt erforderlich machte, zu mindestens einige Narben
erkennen. Davon sei nichts zu sehen. Das hat mich erstmal umgehauen. Wenn er recht hatte,
dann war dieser lange Stress völlig überflüssig gewesen. Außerdem fiel mir ein, dass ich in den
ganzen acht Monaten nicht ein einziges Mal geröntgt worden war. Die Untersuchungen
beschränkten sich jedes Mal nur auf die Gewichtskontrolle und einen Blick in meinen Schlüpfer.
Wozu letzteres dienen sollte, wage ich nicht zu Ende zu denken. Allerdings hatte man später im
Schreibtisch von Dr. M. kinderpornografisches Material gefunden… Ich hatte ein wichtiges Jahr in
meinem Leben verloren, wurde erst mit sieben eingeschult, machte ein Jahr später das Abitur
usw. Mir kam dann ein Gedanke, der mich bis heute nicht loslässt.  Was wäre, wenn wir Kinder
damals nur eine willkommene Gelddruckmaschine waren? Die Heime wurden subventioniert,
man konnte auch Medikamentenstudien mit den Kindern machen, die bestimmt gut bezahlt
wurden. Wenn man die Leiter der Gesundheitsämter mit in den Deal einbezog, sorgten sie
bestimmt freudig für Nachschub. Bei der Diagnose „Tuberkulose“ waren die Aufenthalte sicher
lange genug, um eine Studie durchzuziehen. Bei der Überprüfung des Heimes in Oberkassel hatte
man den Verdacht, dass an den Kindern Beruhigungsmittel getestet wurden. Dr. M. wurde   
zitiert mit dem Ausspruch: „Mein Rat bei schwierigen Kindern: Sedieren, sedieren, bis sie im
Stehen einschlafen! Außerdem waren Kinder, denen man Liegekuren verordnete, sehr
pflegeleicht für das Personal. Tuberkulose, „ein Schatten auf der Lunge,“ so lautete damals die
Mitteilung an meine Eltern, war die ideale Diagnose, wenn man mit Kindern schnell viel Geld
verdienen wollte. Wer machte sich dabei schon Gedanken über die Vielzahl von Tabletten, die ein
Kind schlucken musste? Diese Gedanken lassen mich seitdem nicht mehr los. Ich fühle mich
ausgenutzt und betrogen. Ich habe versucht, beim Gesundheitsamt der Stadt Bochum Einsicht in
meine damaligen Krankenakten zu bekommen, aber das war vergeblich. Man sagte mir, diese
wären schon vor vielen Jahren geschreddert worden.
Anonymisierungs-ID: aqz

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