42489 Aprath, 1971

Mit unbekleideter Brust an glänzender Platte

Von: R. Ch.
Über Ostern 1971 wurde ich, R.C., männlich, damals 6 Jahre alt, für 4 Wochen in der
Lungenklinik Aprath stationär aufgenommen.
Anfang 1971 war ich vom Kinderarzt in Mettmann bei anhaltenden nächtlichen
Hustenattacken antibiotisch behandelt worden. Beim gleichen Beschwerdebild einige
Wochen später wurde die Bitte meiner Mutter nach dem “ gut wirkenden rosa Saft” mit den
Worten “ das hätten Sie wohl gerne”, vom Kinderarzt abgelehnt. Stattdessen wurden meine
Eltern mit mir noch am selben Abend nach Aprath geschickt.
In Aprath angekommen erinnere ich mich an den Gang mit meinen Eltern über eine runde
Steintreppe, viel Holz, einen dunklen langen Flur, vorbei an einem dunklen, durch kleine
Lampen nur spärlich beleuchteten, verglasten Raum. Meine Eltern haben noch eine Weile
mit einer Frau gesprochen, dann war ich alleine.

Aus späteren Erzählungen meiner Mutter weiß ich, dass in Aprath eine Tuberkulose bei mir
ausgeschlossen werden sollte. 
Ich bekam ein Einzelzimmer in Aprath, um eine Ansteckung durch andere Kinder mit
gesicherter TBC-Diagnose zu vermeiden.
Die Schwester habe meiner Mutter erzählt, dass sie in ihren Pausen zum Stricken in mein
Zimmer gehen würde. Ich wäre dann nicht so lange einsam.
Meine Eltern besuchten mich einmal wöchentlich, freitags nachmittags. Auch meine
Großeltern haben mich einmal besucht. 
Meine Mutter berichtete später von Gesprächen mit dem Stationsarzt. Sie hatte nach 4
Wochen schließlich erreicht, das ich entlassen wurde, weil sich kein Anhaltspunkt für eine
Tuberkulose bei mir finden ließ. Ich hätte nicht mehr gehustet, dass Röntgenbild sei
unauffällig gewesen und dann hätte ich halt wieder nach Hause gekonnt. Ob weitere
Untersuchungen, wie Blutabnahmen oder Magensaftanalysen bei mir in dieser Zeit dort
durchgeführt worden sind, erinnere ich nicht.
Mir sind noch ein paar, chronologisch unklare, Szenen aus Aprath in Erinnerung:
Ich stehe, ganz alleine in einem großen dunklen Raum, mit der unbekleideten Brust an eine
glänzende, glatte und sehr kalte Platte gepresst. In der Ferne sehe ich ein helles Fenster
und einen Frauenkopf.
Mir ist beim Spielen im Bett ein kleines Glasthermometer auf den Boden gefallen und
zerbrochen. Ich stehe auf und schiebe die glänzenden Kügelchen mit meinem Zeigefinger
zusammen. Der Zauber, das die beiden Kugeln zu einer werden, erstaunt mich sehr.
Ich verlasse, trotz Verbot durch meine Eltern, das Zimmer und öffne die Tür gegenüber.
Überrascht wirkende, lachende und schreiende ältere Kinder bei einer Kissenschlacht. Sie
halten inne, verstummen, sehen plötzlich aus wie versteinert. Erschrocken schließe ich
schnell wieder die Tür und laufe zurück in mein Zimmer. Gehe den Flur entlang auf der
Suche nach einem Klo. Auf dem Zimmer zurück fordert irgendwann eine Frau mit Nachdruck
von mir, dass ich ihr sagen solle, auf welchem Klo ich war. Kann ich nicht. Sie greift nach
meiner Hand und zieht mich, wie ich damals fand, etwas zu schnell und ruppig, über den Flur
hinter sich her.
Eine jüngere, blonde Frau kommt in mein Zimmer. Sie hat eine Kiste mit kleinen bunten
Holzteilen (Tiere, Klötze ) bei sich, schüttet sie auf dem Klapptisch meines
Nachttischschränkchens aus, setzt sich aufs Bett zu mir und spielt mit mir. Den ganzen Rest
meines Aufenthaltes habe ich, leider vergebens, darauf gewartet, dass sie nochmal
wiederkommen würde.
Am Tag meiner Entlassung bringen meine Eltern die Mutter meines Vaters mit. Ich lerne sie
zum ersten Mal kennen, weil sie weiter weg wohnt. Meine Eltern bringen einen kleinen
Karton mit Plastikbausteinen mit. Meine Großmutter sitzt auf meinem Bett, während meine
Eltern noch irgendetwas erledigen müssen und ich weiß, dass wir jetzt alle zusammen nach
Hause fahren werden.
Im Sommer des gleichen Jahres wurde ich dann vom Kinderarzt mit der Diagnose
Untergewicht auf eine 6 wöchige Kinderkur nach Wüstensachsen (Rhön) geschickt.
Anonymisierungs-ID: arn

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