59505  Sassendorf

Ich war die Nr. 2

Name: K.J.

Zeitpunkt der Verschickung: 1963

Dauer der Verschickung: 6 Wochen

Bericht

im Jahre 1963 war ich im Alter von 6 bzw. 7 Jahren um den Juli herum
sechs Wochen in Bad Sassendorf. Meine Eltern leben nicht mehr und ich
weiß nicht, in welchem Heim ich genau war. Vielleicht erinnert sich aber
jemand an mich. Ich war die Nr. 2., diese Nummer stand sowohl auf
„meinem“ Schrank und mir wurde das entsprechende Bett zugewiesen. Man
bekam aber nur zu bestimmten Zeiten Kleidung aus diesem Schrank. Es
waren Kinder dabei, die nicht so viel Kleidung dabei hatten, denen
einfach Kleidung anderer Kinder gegeben wurde. Ich kann mich erinnern,
dass im Speisesaal die vielfach beschriebenen Zustände herrschten: Das
Essen musste gegessen werden, ich kann heute noch keine fettigen
Klumpen, die es dort als Fleisch gab, essen.  Bevor wir das Haus
verließen, mussten wir uns in einem Gang aufstellen. Einmal in der Woche
wurde uns von unserem Geld ein Eis gekauft, dass es nach dem Mittagessen
gab. Ich bekam in der Zeit Windpocken und wurde mit einem weiteren
Mädchen (Elke) isoliert. Wir waren den ganzen Tag alleine in einem
abgedunkelten Raum. Es gab einen Raum, in dem gespielt werden durfte und
eine Außenanlage. Toilettenbesuche waren reglementiert, nachts haben wir
uns auf die Toilette geschlichen, damit uns niemand „erwischt“, vor den
Mahlzeiten wurde bestimmt, welcher Tisch zuerst zur Toilette gehen
durfte und welcher danach. Regelmäßig gingen wir ins Solebad, das nicht
direkt bei uns im Haus war. Einmal sollten wir auf einem Esel reiten
dürfen, die Aktion wurde aber abgebrochen, nachdem das erste Kind
gestürzt war. Post wurde zensiert, man durfte nur positive Dinge
berichten und das auch nur zu den Schreibzeiten einmal in der Woche. Ich
konnte noch nicht schreiben und durfte ein Bild malen, aber auch da nur
positive Eindrücke. Eine Erzieherin hieß, wenn ich mich recht erinnere,
Angelika. Wir haben im Speisesaal auch gesungen „Wir Sassendorfer
Kinder, wir sind vergnügt und froh, und wünschen uns das eine, es bliebe
immer so, heidi, heida, heidi, heida, wir Sassendorfer Kinder wir sind
da“ und „Auf der Lüneburger Heide“ und solche Sachen. Ich kann mich an
den Zeitpunkt genau erinnern, weil ich in der Verschickungszeit
Geburtstag hatte. Meine Mutter hatte mir einen Karton mit Süßigkeiten
geschickt und einen kleinen Stoffhund. Den Hund durfte ich behalten und
von den Süßigkeiten durfte sich jedes Kind an diesem Morgen ein Teil aus
der Kiste nehmen, der Rest wurde einbehalten. Auch die persönlichen
Sachen für die Morgentoilette wurden uns nicht ausgehändigt. Jeder bekam
morgens und abends einen Streifen von irgendeiner Zahnpasta auf die
Zahnbürste (jedes Kind aus derselben Tube) und wenn eine Tube leer war,
wurde die nächste genommen. Sowohl mit der Kleidung als auch den
persönlichen Sachen wurde also sehr respektlos umgegangen. Es gab in den
Haus noch weitere Gruppen mit anderen Altersstufen. Mich haben die sechs
Wochen dort sehr verändert. Ich wurde, wie es häufig schon geschildert
wurde, sehr still. Lange Zeit dachte ich auch, ich hätte eben einfach
nur Pech gehabt, dass ich dort gelandet war. Erst durch die Berichte,
die nach und nach an die Öffentlichkeit gelangt sind, bin ich darauf
aufmerksam geworden, wie groß das Thema und vor allem wie groß die
Schäden sind, die so viele Kinder genommen haben. Gut, dass die vielen
Betroffenen eine Stimme bekommen. Anonymisierungs-ID: apa

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