Von: A.H. Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Ich erinnere mich an einen Besuch beim Kinderarzt mit meiner Mutter. Das Thema war, wie so oft, Anja ißt so schlecht.
Dann die Frage: möchtest du zu einer Kur?
Ich war neugierig, 4 Jahre alt und habe gerne neues erlebt, also sagte ich ja.
Die nächste Erinnerung ist: ich bekomme eine Silberkette mit einem Herzanhänger beim Einstieg in den Zug geschenkt, meine Mutter sieht schwermütig aus, ich sitze ganz in einem Zugabteil und frage mich, wozu hast du da ja gesagt. Ich kannte niemanden, kein Kind und keinen Erwachsenen. Am Ende der Zugfahrt ist das Herz zerbissen, ab da keine weitere Erinnerung, wie wir z.B. zum Haus gekommen sind, alles weg.
Von dem restlichen Aufenthalt habe ich einzelne sehr prägnante Erinnerungen:
Ich hatte die Masern, war sehr krank und sehe mich alleine in einer Isolierstation liegen, draußen sind Kinderstimmen zu hören. Ich hatte Heimweh.
Ich sitze beim Mittagessen, es gibt gekochten holzigen Kohlrabi- ich musste aufessen, bis zum erbrechen- da endet meine Erinnerung
Mein 5. Geburtstag, ich sitze im Stuhlkreis, bin schrecklich traurig, bekomme ein Geschenk überreicht, eine Puppe, die in meiner ganzen Kindheit sehr wichtig für mich ist, soll mir ein Lied wünschen. Ich kann vor Traurigkeit kaum sprechen, wünsche mir auf Druck hin, der Mond ist aufgegangen.
Ich bin bei einem Mittagsschlaf, sehr einsam und voller Heimweh, in das Gitterbett einer Freundin gekrabbelt, mit Ohrfeige aus dem Bett geholt und mit der Matratze für den restlichen Mittagsschlaf auf den Flur gelegt.
An Spaziergänge, Solebäder und Spielsituationen kann ich mich nur in einzelnen Bildern erinnern.
An einen Namen kann ich mich erinnern: Schwester M.
Meine Eltern hatten Briefe an mich geschrieben, die wurden wegen zu starken Heimwehs nicht vorgelesen. Besuche waren aus dem gleichen Grund nicht erlaubt.
Bis heute fällt mir das Sprechen in großen Gruppen sehr schwer, ich empfinde körperliches Unwohlsein bis hin zu Kreislaufproblemen
Anonymisierungs-ID: ats

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