26548 Norderney, 1966

Das laute Weinen schallte durch das ganze Haus.

Von: A.T-P.

Wir sind gerade gestern von Norddeich zurückgekehrt und hatten von dort einen Tagesausflug nach Norderney gemacht, weil ich (Jahrgang 1957) und mein Mann (Jahrgang 1962) dort zur Kinderkur im damaligen Haus Wuppertal in der Marienstraße waren. Dieses wird heute von der Caritas betrieben und heißt Inseloase.

Es war interessant, das Haus zu betreten. Das Treppenhaus, welches eigentlich aus schönen alten Fliesen besteht sowie die Steintreppe haben in mir sofort Erinnerungen wachgerufen. 

Ich wurde von einem Arzt (damals ansässig in Wichlinghausen gegenüber der Kirche am Wichlinghauser Markt) 1966 für 6 Wochen zur Kur geschickt, da ich Keuchhusten und / oder Stickhusten hatte oder aber es so diagnostiziert wurde. Abgefahren wurde vom damaligen Bahnhof Wichlinghausen und wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, waren wir viele Kinder, die auf die Reise gingen. Ob wir alle im selben Haus waren, wage ich zu bezweifeln. Damals war die Versetzung in die nächste Klasse ja im Frühjahr oder aber wegen der Kurzschuljahre (?), deshalb war es verdarrig kalt auf der Insel.

Da meine Eltern mit Großeltern die Zeit für eine Nahost-Reise nutzten, wollte ich gerne noch am ersten Abend beim Abendbrot eine Karte schreiben. Kinder, deren Eltern oder Geschwister Geburtstag hatten, durften schreiben. Alle anderen nicht (der Grund erschließt sich mir bis heute nicht, denn ob einige oder alle schreiben, ist völlig egal). Ich weiß noch, dass ich gebettelt und geweint habe, schreiben zu dürfen. In Erinnerung ist mir immer der „Genuss“ einer sogenannten „Tante“ geblieben, mir dieses sehr gerne zu verwehren. 

Es waren – auch im Nachhinein – für mich verbitterte alte Tanten, die nichts im Leben hatten, als sich auf kleine Kinder zu fokussieren und diese zu quälen. Bis auf eine junge Frau, die immer versuchte, dem entgegenzuwirken. 

Der Mittagsschlaf musste abgehalten werden. Ich konnte nie mittags schlafen, allein schon die Furcht, weil wir alle gezwungen wurden, uns mit dem Gesicht zur Wand zu drehen. Das kann ich bis heute nicht. Schlief man nicht, wurde man auf den Flur gesetzt. 

Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, dass ein Mädchen aus einem anderen Zimmer spät abends auf dem Bett geholt wurde und die ganze Nacht im Stockdunkeln ins Klo eingesperrt wurde. Das laute Weinen schallte durch das ganze Haus. Warum das so geschah, weiß ich nicht.

Gott sei Dank ist es das für mich mit den schlechten Erinnerungen. 

Mein Mann war 2 oder 3 Jahre später dort und hat keine schlechten Erinnerungen an diese Zeit. Wahrscheinlich hat sich auch damals in zwei/drei/vier Jahren einiges getan.

Bei unserem Besuch vor 2 Tagen in der Inseloase habe ich mich kurz mit einer Büroangestellten unterhalten, die mir erzählte, es kämen manches Mal Leute, die in Kindheitstagen dort waren. Einige hätten sehr gute Erinnerungen und einige halt nicht. Unter anderem war wohl mal ein Mann dort, der von Prügeln etc. pp. berichtete und wie furchtbar es für ihn war. Gott sei Dank ist dieser Kelch an mir vorübergegangen.

Irgendwo habe ich noch ein altes Schwarzweiß-Foto. Aufnahme am Strand in Kälte.

Da zumindest in meiner Erinnerung – bis auf die junge nette Frau – wohl alle bereits aufgrund des Alters das Zeitliche gesegnet haben, werde ich niemanden mehr fragen können, warum so mit Kindern umgegangen wurde. 

Es ist auch eigentlich nur ein Teilen meiner Erinnerungen. Hängengeblieben ist nix bis auf das nicht zur Wand drehen beim Einschlafen.

Anonymisierungs-ID: aff

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