Von: M.S.
Kostenträger: AOK?
Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Ich erinnere mich noch heute mit Horror an die 6 Wochen auf Norderney und an eine gewisse
Frau B. Ich war damals zwar schon ungefähr 10 oder 11 Jahre alt, aber ich hatte jeden Tag furchtbar
Heimweh. Das Verhalten der Betreuerin Frau B. hat nicht dazu beigetragen mich dort wohler zu fühlen.
Im Gegenteil, ich solle mich nicht so anstellen, ich wäre doch kein Baby mehr usw.
Morgens zum Frühstück gab es eine Scheibe Schwarzbrot und ein Brötchen, letzteres gab es nur, wenn
man zuvor das Schwarzbrot gegessen hatte. Ich kann Schwarzbrot bis heute nicht essen… Die ersten 2
Wochen waren die Hölle, alles aufessen (auch wenn man sich schon fast übergeben musste),
erzwungener Mittagschlaf, jeden Morgen ins eiskalte Meer (zur Abhärtung) bis mindestens zu den
Schultern usw., war das 1x die Woche, mussten wir uns in Unterwäsche aufreihen und wurden vom
Arzt untersucht. Was für eine 10/11-Jährige sehr unangenehm war, da auch Jungen anwesend waren.
Dann bekam ich die Windpocken, musste für volle 2 Wochen in Isolation, einmal am Tag kam eine der
Betreuerinnen und schmierte mich ziemlich grob mit einer Paste ein, um den Juckreiz zu lindern.
Ansonsten hatte ich nur kurzen zwischenmenschlichen Kontakt, wenn es Essen gab. Welches mir nur
kurz durch die Tür gereicht wurde. Die letzten 2 Wochen waren etwas besser, da sich Frau B. ein Bein
gebrochen hatte und mich nicht mehr quälen konnte. Ach ja, meine Mutter hatte mir in jedem Brief
immer 20 Mark mit eingesteckt und ein paar Süßigkeiten, aber wenn wir Ausflüge geplant hatten, z.B.
Kino o.ä., hatte ich nie genug Geld, um teilzunehmen, ich musste dann immer allein zurückbleiben. Ich
habe mich in meinem ganzen Leben nie so einsam und verlassen gefühlt, als wie in diesen 6 Wochen.
Anonymisierungs-ID: anl