Suche
Suche

26571 Juist, 1974/1978

Zuchthaus

Von: P.St.

Name des Trägers: Kinderkurheim der Stadt Münster
Kostenträger: Gesundheitsamt Münster

Dauer der Verschickung: Jeweils 6 Wochen
Bericht: Wenn wir sonntags beim Mittagessen redeten, musste ich zur Strafe 2 Std. Mittagsschlaf halten, wo ich nicht zur Toilette durfte.
sonntags war i.d.R. kein Mittagsschlaf, jedoch in der Woche war es die Regel und der Toilettengang war verboten, diese Erziehungsmethode prägt mich bis heute, so dass ich verzweifelt nach Toiletten schaue, wenn ich unten bin. Jeden Abend war es genauso wir durften 2 Std. nach dem Zubettgehen, wo die Wache noch vor Ort war nicht zur Toilette und wir Jungs waren völlig verzweifelt und haben sehr viel geweint und viel Heimweg gehabt. Dann wurden unsere Briefe zensiert, wo wir dieses Problem unseren Eltern mitteilen wollten, und infolgedessen wurden sie vernichtet und wir wurden gezwungen alles zu essen was uns vorgesetzt wurde sonst würden wir vorgeführt vor der ganzen Gruppe und mussten wieder Mittagsschlaf halten. Wir durften nie telefonieren mit unseren Eltern. Wir gingen gemeinsam zum Strand und sollten Bernstein finden und wenn wir fündig wurden haben die Nonnen es uns abgenommen und behalten, also ich möchte zum Ausdruck bringen, dass es ein Zuchthaus war und kein Kinderkurheim wie mir das Gesundheitsamt es erzählt hatte, und ich hatte mich so sehr darauf gefreut. Meine Mutter kam ins Krankenhaus und musste sich einer großen OP unterziehen, wir waren 4 Kinder und mussten untergebracht werden, weil mein Vater der einzige Ernährer war, also für mich war das die Hölle auf Erden und habe jede Nacht geweint und wusste damals auch nicht, warum mir so etwas angetan wurde. Mich hat das fürchterlich geprägt bis heute, aber ich begreife so langsam was geschehen ist und muss selber schauen, wie ich diese negativen Erfahrungen nicht in meiner Gegenwart verwende. Es braucht aber seine Zeit, bis diese verankerte Psyche im Kopf keinen Platz mehr in Anspruch nimmt verzeihen kann ich, aber vergessen werde ich das nie mehr. Ich habe versucht mit meiner Mutter darüber zu sprechen, aber sie sagt nur immer was sollte ich denn machen, musste euch Kinder doch irgendwo lassen. Also meine Mutter hat es bis heute nicht begriffen, wo drum es mir geht und ich war 2-mal dort, zwar dann mit meinem Bruder, aber wir beiden haben dann die gleiche Prozedur durchgemacht wie ich das erste mal 1974. Bis heute kann ich ganz schwer Vertrauen aufbauen zu meiner Mutter und Institutionen die mit Erziehung zu tun haben finde es aber notwendig und berührend, dass sich ein Verein gegründet hat, der mir ein Zeichen gibt, hey du bist nicht alleine mit dieser Sache und dein Leid haben viele andere auch so ähnlich oder sogar noch leidvoller erlebt, bin mal gespannt was dabei alles noch rauskommt und werde euer Hilfsangebot sehr wahrscheinlich nutzen, denn dafür schäme ich mich nicht und bin bereit egal wo wie und wann immer das zu erzählen, was und wie ich diese schreckliche Zeit als kleiner Bub erlebte. Vielen Dank für die Chance, die Ihr mir durch dieses Verfahren gibt und stehe zur Verfügung, wenn ihr mich braucht. Mit freundlichen Grüßen

Anonymisierungs-ID: ahf

Newsletter-Anmeldung

SPENDEN

Vielen Dank, dass Sie sich für eine Spende interessieren:

AKV NRW e.V.

IBAN DE98 3206 1384 1513 1600 00

Für eine Spendenquittung bitte eine E-Mail an:
Detlef.Lichtrauter@akv-nrw.de