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26757 Borkum, 1965

Die Post wurde zensiert.


Von: B.S
Ich wurde ca. Anfang bis Mitte der 60-iger Jahre so mit 13 oder 14 aus Düsseldorf wegen
häufigeren Erkältungskrankheiten nach Borkum geschickt.
Das Josefinenheim wirkte auf mich wie eine verlassene Kaserne aus roten Ziegeln gebaut und
hatte Platz für viele Kinder verschiedenen Alters und beiderlei Geschlechts.
Wir waren in Mehrbettzimmern (4 oder 5 Betten) altersgleich untergebracht. Ich erinnere mich
daran noch gut und auch an die langen dunklen Gänge. Unsere Erzieherinnen (wenn es denn mal
ausgebildete waren) mussten wir mit Tante ansprechen. Die Post wurde zensiert. Ich habe die
Briefe meiner Eltern aber bekommen. Päckchen mit Süßigkeiten wurden aber einbehalten.
Fieber messen war morgens und abends und abends wurden auch Medikamente verteilt. Ich
glaube, dass ich nie welche bekommen habe, da ich gut schlafen konnte. Essen gab es in einem
riesengroßen Speisesaal. Jeden Morgen bekam man schleimiges Porridge. Die Übergewichtigen
wurden an einen speziellen Tisch gesetzt und bekamen recht viel dieses Meerwassergetränk
Biomaris. Sehr unangenehm fand ich das Duschen. Da mussten wir wöchentlich mit unserer
Gruppe splitterfasernackt in einen großen Gemeinschaftsduschraum mit eher nur lauem Wasser.
Als Pubertierende fanden wir das schon sehr peinlich, zumal eine der Tanten uns beaufsichtigte.
Sehr schlimm fand ich das sogenannte “Klappturnen”. Da ich sehr groß war, wollte man bei mir
angeblich Haltungsschäden vorbeugen. Man musste sich bis auf den Slip auskleiden. Der
Oberkörper hatte unbedingt nackt zu sein. Dann bekam man Knie- und Handschoner und musste
auf allen Vieren im Kreis nach den Anweisungen einer “Turnlehrerin” auf dem Boden rutschen.
Leider schauten manchmal durch die Fenster auch Zuschauer (die allerdings schnell vertrieben
wurden) zu. Dieses Turnen fanden wir alle sehr peinlich, zumal einige ja schon Busen entwickelt
hatten.
Über körperliche Misshandlungen oder anderen Grausamkeiten kann ich nichts berichten. Ich
glaube, dass unsere “Tante” schon eine von den freundlicheren war. Aber alles ging natürlich
auch dem damaligen Zeitgeist zur Folge sehr “zuchtmäßig” vonstatten.
Ich war aber damals froh, wieder nach Hause zu kommen.
Anonymisierungs-ID: acj

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