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32105 Bad Salzuflen, 1973

ein Aufenthalt mit viel zu vielen Bestrafungen, Manipulationen, angsteinflößenden "Schwestern", Einschüchterungen, Demütigungen und Verboten

Von: M.H.

Name des Trägers: Bundesbahn?

Dauer der Verschickung: 6 Wochen

Bericht: Ab Hannover musste ich damals allein mit dem Zug nach Bad Salzuflen reisen. Ich war 5 oder 6 Jahre alt und ging noch nicht in die Schule. Ich musste dorthin, weil ich angeblich zu dünn war und dicker werden sollte.

Es waren viele Kinder unterschiedlichen Alters in diesem Heim (ab 5 bis vielleicht 14 Jahre).

Nachts durfte niemand nicht auf die Toilette gehen; wenn man erwischt wurde, gab es Strafen (ich weiß aber nicht mehr welche). Es gab Nachtwachen, die ziemlich böse wurden, wenn sie einen erwischt hatten; vor denen hatte man als Kind schon Angst. Man wurde dann zurück ins Bett geschickt, auch wenn man richtig dringend musste.

Hat man dann deswegen mal das Bett eingenässt, was am Morgen immer überprüft wurde, stand dann Schwester R. (den Namen habe ich behalten, weil die wirklich böse war) vorm Bett, die erstmal alle Kinder aus dem Schlafsaal aufgefordert hatte, mit ihr rund um das Bett des Kindes zu stehen, was ins Bett gemacht hatte. Sie hat einen dann erstmal mit Worten bestraft und alle Kinder haben gelacht. Dann erst durfte man aufstehen. Ob man auch das Bett neu beziehen musste, weiß ich nicht mehr, könnte es mir aber vorstellen.

Abends musste man die Kleidung für den nächsten Tag rauslegen, umentscheiden durfte man sich am folgenden Tag nicht mehr, es wurde das getragen, was man sich rausgelegt hatte, auch wenn das Wetter gar nicht danach war oder man einfach nicht zusammenpassende Sachen rausgesucht hatte.

Man musste dreimal am Tag immer sehr viel essen, und man musste sich öfters nachholen oder sich einen Nachschlag geben lassen, da wurde genau darauf geachtet. Auch wenn es für den Magen schon viel zu viel war. Hat man sich am Tisch dann deswegen erbrochen (auf der Kleidung, dem Teller), hat man erstmal einen “Einlauf” bekommen, musste trotzdem weiteressen (ob das erbrochene auch, oder ob man das wegschieben konnte, weiß ich leider nicht mehr) und anschließend in einen sehr dunklen Keller gehen, Lappen etc. holen und alles allein wegmachen. Der Keller hat mir immer sehr viel Angst bereitet und ich habe sehr oft gebrochen. Wegen meiner verschmutzten Kleidung bin ich oft heimlich in die Küche gegangen; da war eine nette Köchin, die mir beim sauber machen meiner Kleidung geholfen hatte. Das ist dann irgendwann aufgeflogen, sie durfte mir nicht mehr helfen und ich hatte Küchenverbot bekommen.

Hatte ich noch nicht aufgegessen, musste ich so lange im Essenssaal sitzen, bis alles aufgegessen war, auch das, was ich nicht mochte. War es zur Abendbrotzeit, dann wurde zu einem festen Zeitpunkt das Licht schon gelöscht und ich saß ganz alleine im Dunkeln da. Dann habe ich versucht das Essen unterzuschlagen, um schnell da rauszukommen, weil ich so Angst hatte. Meistens musste ich mich dann im Flur vor der Treppe übergeben, dafür gab es Ohrfeigen (von Schwester R.) und ich musste es wieder allein aufwischen (unter Aufsicht) mit dem Gang in diesen wirklich finsteren Keller (wo das Wischzeug stand).

Hatte man sich mal die Kleidung beim Spielen kaputt gemacht, durfte man sich nicht umziehen, sondern musste mit der kaputten Kleidung den Tag überdauern. (Z.B. habe ich mir mal die Strumpfhose beim Rutschen hinten total kaputtgerissen und musste so wie ich aussah durch die ganzen Essenssäle mit gefühlt hunderten Kindern zum Essen gehen. Die Kleider und Röcke waren damals ja sehr kurz, man konnte das riesige Loch in der Strumpfhose sehen und ich habe mich sehr dafür geschämt.)

Kontakte zu den Eltern waren nicht erlaubt. Es gab keine Post, kein Telefon. Von daher hat man in den sechs Wochen nichts von den Eltern gehört. Ich hatte sehr großes Heimweh und habe nachts im Bett viel geweint, weil man es ja am Tag nicht durfte.

Ein Lied, was wir am Abend immer singen mussten, hat mir etwas Trost gespendet (Weißt du wieviel Sternlein stehen…) – ich finde es heute noch gut ;-).

Wir waren viel draußen und auf dem Spielplatz. Außerdem haben wir an einem Tag Fasching gefeiert, mit selbstgebastelten Kostümen. Und eine Schwester, A., war wirklich immer sehr lieb zu uns Kindern, musste sich aber dem dortigen Reglement fügen.

Insgesamt war es aber ein Aufenthalt mit viel zu vielen Bestrafungen, Manipulationen, angsteinflößenden “Schwestern”, Einschüchterungen, Demütigungen und Verboten.

Anonymisierungs-ID: aje

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