Von: B.K.
Sehr geehrte Damen und Herren,
da ich selber Betroffene dieser Kinderverschickung war, ist es mir ein Anliegen, Ihnen meine persönlichen Erfahrungen zu schildern.
Anfang der 60er Jahre wurde ich mit acht Jahren zu einer Kinderkur nach Bad Rothenfelde geschickt, weil ich untergewichtig war.
Da ich häufiger nachts ins Bett nässte, wurde ich durch das dortige Personal gezwungen, dass nasse Bettlaken morgens mit in den Speisesaal zu nehmen.
Dort musste ich mich in die Mitte des Speiseraumes stellen und eine Betreuerin sagte vor allen Kindern meinen Namen, und dass ich mal wieder “ins Bett gemacht” hätte. Sie stellte mich praktisch an den Pranger..
Erträglicher wurde es für mich nur, wenn wir mit mehreren Kindern gemeinsam im Speisesaal bloßgestellt wurden.
Die meisten Kinder litten mit mir bzw. uns Betroffenen. Von anderen Kindern wurden wir als Bettnässer gehänselt.
Mein Aufenthalt in Bad Rothenfelde war von ständiger Angst geprägt. Ständig wurde ich ermahnt, nicht so viel zu trinken, weil ich sonst “wieder ins Bett machen” würde.
Selbst die Nachtaufsicht ermahnte mich vor den anderen Kindern, nicht ins Bett zu machen. Eine medizinische Untersuchung gab es nicht.
Mein Aufenthalt bestand nur aus Angst. Angst einzuschlafen und Angst aufzuwachen und in einem durchnässten Bettlaken zu liegen.
Jeden Abend habe ich darum gebetet, dass meine Eltern mich abholen mögen.
Ich glaube, dass die Frauen zu dieser Zeit selber viel erlebt hatten, weil ihre Männer im Krieg geblieben waren oder den Kriegserlebnissen litten.
Allerdings spreche ich den Betreuerinnen jegliche Herzenswärme und jegliches Verständnis für die ihnen anvertrauten Kinder ab.
Nach meinem Eindruck hatten sie im Gegenteil Freude daran, Kinder bloß zu stellen und vorzuführen.
Gott sei Dank hatte ich ein liebevolles und behütetes Elternhaus, welches mich irgendwann diesen Albtraum vergessen oder verdrängen ließ.
Mit 21 Jahren wurde dann bei mir festgestellt, dass ich an einer Niere einen angeborenen Reflux hatte, der dann mittlerweile zu einer Schrumpfniere geführt hatte, so dass diese operativ entfernt werden musste.
Wäre man schon früher medizinisch meinem “Bettnässen” auf den Grund gegangen, wäre mir diese OP vielleicht erspart geblieben.
Sollte es zu einer Veröffentlichung meines Schreibens – auch in Kurzform – kommen, bitte ich darum, meinen Namen keinesfalls zu erwähnen.
Anonymisierngs-ID: aaw