Von: T.W.
Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Aufgrund von Untergewicht und eher schwacher Konstitution wurde ich vor meiner
Einschulung in eine Kinderkur geschickt. Meine Erinnerungen daran sind größtenteils sehr diffus, ich
erinnere mich an schlimmes dauerhaftes Heimweh von mir und vielen anderen Kindern. Ich glaube
mich zu erinnern, dass einige der älteren Kinder versucht haben, fortzulaufen. Vor allem erinnere ich
mich an eine Szene, als eine Tischnachbarin, die – wie wir alle – ihre Portion bei Tisch aufessen musste
- sich während der Mahlzeit übergeben musste. Der Tisch wurde gesäubert und sie musste
anschließend weiter essen. Daraus hat sich bei mir eine noch andauernde Phobie gegen das Übergeben
entwickelt, unter dem ich auch mit 54 Jahren noch leide und die zeitlebens mein Essverhalten sowie
meine Lebensqualität maßgeblich beeinflusst (hat), trotz therapeutischer Behandlung. Ich erinnere
mich an das Verbot, nachts bzw. nach dem Zubettgehen auf die Toilette zu gehen. Ich erinnere mich gut
an Gefühle von Verlassenheit und Ohnmacht, wenn die Betreuerinnen Postkarten an meine Eltern in
meinem Namen schrieben, wie toll es in der Kur sei. Auch massive Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht
und Einsamkeit sind mir nachhaltig in Erinnerung geblieben und zeitlebens vertraut. Als ich vor
wenigen Tagen zufällig einen Podcast zu diesem Thema hörte und mich bei meiner Mutter nach Details
zu dieser Kur erkundigte, kamen uns beiden sofort Tränen- und das nach knapp 50 Jahren .
Anonymisierungs-ID: anj
