59505 Bad Sassendorf, 1970

Die Antwort war „nein“.

Von: R.Sch.

Kostenträger: DAK

Dauer der Verschickung: 6 Wochen

Bericht: Zusammen mit meiner Schwester (damals 6 Jahre alt) wurde ich ins Haus Hamburg geschickt, laut unseren Eltern, weil meine Schwester einen Sprachfehler hatte (sie konnte zu dem Zeitpunkt kein „sch“ aussprechen; sie sprach es als „s“ aus) ???

Ich wurde mitgeschickt, damit meine große Schwester nicht allein dort sein sollte, denn sie galt, im Gegensatz zu mir, als sensibel und empfindlich. Während unseres Aufenthalts wurde ich 5 Jahre alt.

Gleich nach unserer Ankunft wurden wir beide getrennt, denn wir gehörten wohl zu unterschiedlichen Altersgruppen. Während des ganzen Aufenthaltes sah ich meine Schwester nur an Samstagen, wenn wir in Holzbottichen Solebäder bekamen, und ab und zu begegneten sich unsere Gruppen auf dem Gelände. In meiner Erinnerung sah ich meine Schwester jedes Mal weinend. Ich sagte zur für meine Gruppe zuständigen „Tante“, dass ich mich um meine Schwester sorgte, und fragte, ob wir nicht zusammen in einer Gruppe sein könnten, weil sie doch so offensichtlich litt. Die Antwort war „nein“.

Darüber hinaus erinnere ich mich an den Mittagsschlaf in einem großen Saal mit vielen Holzpritschen. Man durfte sich unter der Wolldecke nicht bewegen, natürlich auch nicht reden, und alle Köpfe mussten in die gleiche Richtung ausgerichtet sein.

Schlimm war das Essen, es gab hauptsächlich Süßspeisen und Grießbrei; wir mussten aufessen, auch wenn ich den Brei danach wieder erbrochen habe, was oft vorkam. Vom Essen aufstehen durfte man nur, wenn der Teller leer war, und oft saß ich mit einer Aufpasserin am Abend allein im Speisesaal, wenn die anderen Kinder schon in den Betten lagen. Samstags ging es besser, da gab es zum Abendessen einen Teller warmen Pudding.

Unsere Eltern bekamen einen Brief, in dem stand, dass ich wohl keine Süßspeisen möge. Essen musste ich sie trotzdem.

Das Schlimmste war, dass ich von meiner Schwester getrennt war, die sehr schwer unter Heimweh litt.

Bei unserer Rückkehr sprachen wir beide hochdeutsch, nicht mehr unseren heimischen Dialekt, was unsere Eltern sehr erheiterte, und der angebliche Sprachfehler meiner Schwester war auch behoben. Unseren Erfahrungen im Haus Hamburg wurde zuhause keine Bedeutung zugemessen.

Anonymisierungs-ID: aki

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