59505 Bad Sassendorf, 1977

„ Es wurde laut herausgebrüllt und man wurde vom Personal ausgelacht.“

Von: Y.F.
Dauer der Verschickung: Sechs Wochen
Bericht: Ich war damals etwa acht Jahre alt und ich kann fast alles bestätigen, was ich bisher von
anderen Betroffenen gehört oder gelesen habe.
Das Heimweh war sehr schlimm. Man durfte sich nichts anmerken lassen, sonst wurde man
gedemütigt. Auch zu meiner Zeit wurden wir zum Essen gezwungen. Auch ich habe mitbekommen, wie
Kinder um mich herum erbrachen und weiter essen mussten. Bis heute leide ich deswegen unter einer
Phobie und einer Essstörung.
Ich hatte wieder angefangen ins Bett zu machen, durfte jedoch nachts nicht zur Toilette gehen. Wenn
das Bett morgens nass war, wurde man ebenfalls gedemütigt. Es wurde laut herausgebrüllt und man
wurde vom Personal ausgelacht. Einmal habe ich mich nachts heimlich zur Toilette geschlichen, wurde
jedoch erwischt und musste die ganze Nacht alleine in einem dunklen Raum auf dem Stuhl sitzend
verbringen.
Wir waren etwa vierzig Kinder in unserer Gruppe. Die Gruppe war ganz oben in dem Kurhaus und trug
den Namen Fernblick. Das werde ich nie vergessen, denn das Wort verband ich damals mit Weite.
Tatsächlich fühlte ich mich jedoch eingesperrt.
Wenn wir duschen mussten, dann standen wir alle nackt in einer Sammeldusche. Wir wurden kurz
abgespritzt und bekamen ein Stück Seife in die Hand. Damit mussten wir uns einseifen und zwar „weiß
wie ein Schneemann.“ Wir durften uns erst abduschen, wenn wir wirklich am ganzen Körper weiß vor
Seifenschaum waren. Allerdings wurde dabei nur eine Dusche betätigt und da wir so viele Kinder
waren, dauerte es unter Umständen sehr lange bis wir dran waren. So mussten wir immer wieder
nachseifen um weiß zu bleiben, bis der ganze Körper juckte und brannte.
Ich habe schon lange geplant nochmal nach Bad Sassendorf zu fahren und so vielleicht mit allem
abzuschließen. Vielleicht kann ich so meiner Phobie oder der Essstörung entgegenwirken. Aber bis
jetzt habe ich es nicht geschafft.
Anonymisierungs-ID: amw

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