Von: F.D. Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Im Alter von 4 Jahren wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sassendorf verschickt. Das war ein furchtbar traumatisches Erlebnis für mich, was mein ganzes Leben geprägt hat.
Von dieser „Kurmaßnahme“ wusste ich überhaupt nichts und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Mein Vater brachte mich zum Bahnhof, machte mich mit einer netten „Tante“ bekannt, die mich geschickt freundlich umgarnte und ablenkte. Ehe ich mich versah, war mein Vater verschwunden und ich wusste nicht, ob ich meine Eltern jemals wiedersehen werde. Diesen seelischen Schmerz habe ich bis heute in Erinnerung.
An die Zeit im Kinderheim in Bad Sassendorf habe ich vorwiegend verschwommene, bruchstückhafte Erinnerungen. Keine einzige davon ist mit freudigen Empfindungen verbunden. Eine Erinnerung ist neutral, als ich in einer Gruppe mit anderen Kindern an einer Saline in Reih und Glied spazieren ging. Alle anderen Erinnerungen sind schlechter Natur. Der Schlafsaal war riesig. Hier standen in mehreren Reihen, ganz eng Kinderbett neben Kinderbett. In dem Heim herrschte ein ruppiger Ton und es wurde nur geschimpft.
Der Toilettengang ist mir noch in furchtbarer Erinnerung. Ich weiß nicht wie das funktionieren konnte, aber ich meine, dass wir nicht auf die Toilette durften, wenn wir das Bedürfnis hatten. Zu bestimmten Zeiten wurde dann ein Toilettengang befohlen und wir mussten uns anstellen. Vor der Toilette stand dann immer eine streng blickende Ordensschwester und gab dann jedem Kind wenn es endlich dran war, nur ein einziges Blatt Toilettenpapier in die Hand. Eine Privatsphäre beim Toilettengang gab es nicht wirklich. Zumindest schauten immer wieder irgendwelche keifenden „Tanten“ nach.
Eines Nachts wachte ich vollgekotet in meinem Kinderbett auf. Damit war ich überfordert. Ich weiß noch, daß ich mit der vollen Hose über das Gitter aus dem Bett stieg und daneben setzte und nicht wußte was ich nun machen soll. Ich formte dann aus meinem eigenen Kot kleine Bällchen und feuerte sie in jede Richtung unter die Betten und verteilte sie so im ganzen Schlafsaal. Nach getanem Werk stieg ich wieder ins Bett und schlief weiter. Morgens wurde ich ich dann durch das laute, schrille Geschrei der „Tanten“ wach. Irgendwann kamen sie dann zu meinem Bett und identifizierten mich als den Übeltäter. Was dann mit mir passierte weiß ich glücklicherweise nicht mehr.
In mir steckt heute noch eine große Trauer und Wut über das Erlebte in Bad Sassendorf.
Anonymisierungs-ID: atj

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