Von: M.B.-H.
Name des Trägers:
Kostenträger:
Verschickungsort: Mittelberg-Oy
Zeitpunkt der Verschickung: Winter/Frühjahr 1967
Dauer der Verschickung: 3 Wochen
Bericht: Als Sechsjährige wurde ich nach einer Mandeloperation im Januar/Februar 1967 „in Erholung“, wie es damals hieß, geschickt. Ich sollte vor dem Schuleintritt im September desselben Jahres in der guten Luft im Allgäu kräftiger werden und mich von der Mandeloperation gut erholen. Vorerkrankungen hatte ich nicht.
Wir wohnten damals in Dortmund-Mengede, wobei die Luft im Ruhrgebiet tatsächlich sehr schlecht und belastet war. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt nach mir und meinen beiden jüngeren Schwestern mit meinem Bruder hochschwanger. Praktischerweise war ich „in Erholung“, als er im April auf die Welt kam, was ich meinen Eltern aber in keinster Weise ankreiden will.
Soweit ich mich erinnern kann, freute ich mich auf die Erholung und verfolgte gespannt die Vorbereitungen.
Meine Mutter brachte mich zum Bahnhof, von wo wir mit dem Zug nach Mittelberg-Oy fuhren. An Umsteigen kann ich mich nicht erinnern.
An den Aufenthalt habe ich wenig Erinnerungen, eher neutrale als schlechte, aber auch keine ausgesprochen gute. Es lag viel Schnee, was ich aus dem Ruhrgebiet nicht kannte und schön fand. Der muss aber im Laufe meines Aufenthaltes weggetaut sein, denn ich kann mich an Spielplatzbesuche erinnern.
Ganz schrecklich fand ich die Mittagsruhe: wir lagen in einem großen Saal, jedes Kind gut zugedeckt auf seiner Liege(?), die großen Kippfenster weit geöffnet wegen der guten Luft. Sprechen duften wir nicht, denn es haben wohl auch jüngere Kinder in der Zeit geschlafen. Ich habe besonders in der ersten Woche oft geweint während der Mittagsruhe, weil ich Heimweh hatte – natürlich lautlos, damit es niemand merkte. Meines Wissens wurde aber niemand bestraft, wenn er wegen Heimweh weinte.
Jetzt möchte ich gerne mehr über das Kurheim erfahren. Haben Sie Informationen, welches Kurheim das gewesen sein könnte? Gibt es Berichte über Strafen, Übergriffe oder medizinische Experimente in einem Kurheim in Mittelberg-Oy?
Wie gesagt habe ich selbst keine derartigen Erfahrungen gemacht oder an anderen beobachtet. Ich weiß aber auch, dass man Erinnerungen sehr gut verdrängen und wegsperren kann, so dass man sich wirklich nicht erinnert.
Ich freue mich auf Nachricht von Ihnen. Gerne stehe ich zur Verfügung, wenn Sie an weiteren Erinnerungen aus meinen 3 Wochen, aus denen wegen Windpocken 4 wurden, interessiert sind.
Herzlichen Dank für Ihre sehr wichtige Arbeit, die ich gerne durch die Schilderung meiner Erlebnisse unterstützen möchte.
Mit vielen Grüßen aus dem Odenwald
Anonymisierungs-ID: afu