Von: F.S.
Verschickt aus (damaliger Heimatort) *: Wuppertal
Jetzt wohnhaft in: Köln
Name des Trägers: Caritas
Zeitpunkt der Verschickung: 13.4.1962 bis 25.5.1962
Bericht: Ich erinnere mich, in einem Gebäude angekommen zu sein, mit großen Räumen,
und hohen Decken. Das kannte ich so nicht. Das hat mich befremdet.
Ich erinnere mich, dass dann Essen serviert wurde, und dass ich mich nicht darauf gefreut
habe, sondern, dass das Angst besetzt war.
Keine Ahnung, ob und wie viel ich davon gegessen habe, ich fühlte mich wie als Kind in
einer erwachsenendominierten Welt, das war mir fremd, ich habe mich, so wie ich mich
kenne, mit Sicherheit maximal gesperrt
Ich kann mich erinnern, es gab viele Ausflüge, Wanderungen und Aufenthalte in freier Natur,
die mir wegen der noch kalten Jahreszeit unangenehm waren, ich war nicht begeistert, habe
sicherlich nur das Pflichtprogramm mitgemacht.
Ich glaube mich erinnern zu können, dass es während unserer Zeit dort ein Malaria krankes
Kind gab, und dass wir anderen auch versucht haben, in dem wir mit der Malariakranken in
das Bett geschlichen sind, uns zu infizieren, um von diesen Außen Aufenthalten befreit zu
werden. Mir war das draußen
grundsätzlich zu kalt, zu ungemütlich, zu uninteressant.
Bei mehreren Kindern hat das mit der Infektion funktioniert, ich war wie mein Bruder auch,
offensichtlich immun gegen Malaria.
Aus irgendeinem Grund hatte ich den Vorteil, das Lieblingskind der Aufseherin zu sein, ich
war die kleinste, ich wurde Winzling genannt und gerufen, und ich hatte die Ehre das Bett
neben der Aufseherin zu haben. D.h. mit anderen Worten, sie muss offensichtlich mit uns in
dem selben Zimmer übernachtet haben.
Ich war ihr Liebling, sicherlich habe ich dadurch mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit
bekommen, außer dass mich die täglichen erzwungenen Außen Aufenthalte genervt haben,
war ich relativ wenig genervt, auch die Erziehungs-Konzepte meines Haushaltes waren wohl
noch eher Nazi orientiert.
Komisch vorgekommen ist mir ein Kommando, dass wir vor dem Ausschalten des Lichtes
alle den Daumen in den Mund nehmen sollten, quasi befohlen das Daumen lutschen. Und
ich weiß von Äußerung meiner Mutter, dass sie sich im Nachhinein geärgert hat, nachdem
sie uns das alles mühsam abtrainiert hatte, dass wir als Daum Lutscher Kinder wieder zurück
kamen.
Beängstigend fand ich Einsätze im Schlafraum von so etwas wie Kammerjägern kurz vor
dem zu Bett gehen. Wir lagen schon im Bett, hatten wohl Insekten, auch mal Hornissen im
Raum, wir sollten alle unter die Decke gehen, und dann wurde Gift ausgespült. Uns wurde
zuvor gesagt, welche Zeit wir mindestens unter der Decke bleiben müssten, an Details kann
ich mich nicht mehr erinnern. Diese Maßnahme hat sich für mich als negatives, wiederholt
durchgeführt und erschreckendes Erlebnis ins Gedächtnis eingeprägt.
Insgesamt habe ich den Aufenthalt für mich nicht als besonders traumatisiert erlebt, der
Kommandoton, mag zwar nach heutigem Gesichtspunkt fehl am Platz sein, das sehe ich
wohl auch so,, aber er hat sich nicht besonders oder herausragend unterschieden von dem,
was ich schon bereits zwei Jahre aus dem Kindergarten und fünf Jahre aus dem elterlichen
Haushalt gewohnt war.
Es wurde damals alles als verschick genannt, daher habe ich mich, als das Thema in den
Medien aufkam darin wieder gefunden, aber ich war immer schon ein sehr selbstbestimmtes
Kind, wenn mir größeres Unrecht widerfahren wäre, hätte ich mich mit Sicherheit widersetzt.
Eine Erinnerung habe ich an Ungerechtigkeit, so ich ja gewohnt war, das Lieblingskind der
Leiterin zu sein und damit auch das Recht zu haben neben ihr zu schlafen, bin ich wohl
durch ein Ereignis mal in Ungerade gefallen, ich hieß nicht nur Winzling, ich war auch die
kleinste in der Gruppe, ich habe auch ein Gruppenfoto Mit der Leiterin in meinem Album,
aber, ich muss mich wohl einmal gewährt haben, als mir Unrecht widerfahren war, und die
Gruppenleiterin ist dieser falschen Darstellung der anderen Person gefolgt, ich war in
Ungerade gefallen und musste am anderen Ende des Raumes übernachten. Das habe ich
und konnte ich nicht vergessen. Mein trotziges Gefühl ist mir bis heute in Erinnerung, dass
dies eine falsche Entscheidung war.
Gerne kann ich dieses Gruppenfoto, wenn es zu etwas nütze ist zur Verfügung stellen.
Meine Mutter hat es mit genauen Datumsangaben meines Aufenthaltes versehen.
Anonymisierungs-ID: aro