Von: K.K.
Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Ich dachte all die Jahre, dass nur mir das passiert ist.
Mit 5 Jahren bin ich im Sommer 1976 kurz vor meinem 6. Geburtstag zur Kur nach Marktredwitz
geschickt worden. Die Tatsache, dass ich ganz allein mit anderen Kindern einfach in einen Bus gesetzt
wurde, war schon schlimm für mich. Viele Dinge, die dort passiert sind, habe ich komplett verdrängt
und vergessen, mir sind 3 Dinge im Kopf geblieben, die vielleicht mehr mit meinem Leben
zusammenhängen, als ich je geahnt habe. Ich war ein dünnes kränkelndes Kind (Bronchitis und
Neurodermitis), es gab Spinat, Spiegelei und Stampf. Ich erbrach mich daran und musste so lange dort
sitzen, bis ich mein Erbrochenes wieder gegessen habe (ich war 5 Jahre alt!) Bis heute wird mir übel
von Spinat, Ei und Stampf. Essen ist bis heute ein schwieriges Thema, da ich bei vielen Dingen
(Geschmack und Konsistenz des Essens) einen Würgreflex bekomme. In der Kurzeit hatte ich meinen Geburtstag, ich Nichts mit der Aussage, meine Mama hat nicht an mich gedacht, weil ich so böse bin,
ich dachte, ich muss jetzt für immer hierbleiben.
Im Keller standen Bänke wie in Umkleidekabinen, dort waren auch Fächer für unsere Draußensachen.
Da ich auch Neurodermitis an Händen und Füßen hatte, benötigte ich auch Cortisonsalbe, ich sehe
mich noch heute ganz allein dort unten sitzen und meine Hände und Füße eincremen.
Die Zeit dort war sehr durch blanke Angst geprägt und als ich nach Hause kam, habe ich kein Wort mit
meiner Mutter gesprochen. Danach war ich lange Zeit sehr ängstlich im Dunkeln, wenn ich alleine war
und habe mich ständig an meine Mutter geklammert, das Geschehene einfach verdrängt und
vergessen.
Ich habe mich damit abgefunden, dass mir das passiert ist, aber das Wissen, dass es Millionen Kinder
gibt/gab, denen das Gleiche passiert ist, wühlt doch nochmal sehr auf.
Ich wünsche allen denen es auch zugestoßen ist auch viel Kraft, es zu verarbeiten.
Anonymisierungs-ID: ane