Dietmar Schmitz: Abgegeben in fremde Hände – warum gerade ich?

Ein Verschickungskind alleine unterwegs!
Weeze 2024, 44 Seiten

Zum Selbstkostenpreis für 8 Euro portofrei beim Autor bestellbar: Tel.: 173 72 390 86

Der Autor schreibt im Vorwort: "Nie hätte ich mir vorstellen können, jemals über mich etwas niederzuschreiben, und dies in einem Buchformat zu tun". Denn das, was ihm passierte, hatte in seinem Leben "tiefe Wunden und sichtbare Narben hinterlassen" (S. 1).

Im Alter von drei Jahren wurde beim Kind Dietmar angeblich Bronchialasthma diagnostiziert. Die Eltern folgten der Empfehlung der Ärzte, welche damals noch unbestrittene Autoritäten waren, das Kind zur „Kur“ an die See zu schicken. Sechs Wochen später kam er wieder nach Hause. Über diesen ersten „Kuraufenthalt“ ist wenig bekannt.

Aber schon damals hätte man wissen können, dass die wochenlange Trennung eines Dreijährigen von den Bezugspersonen zu lebenslangen Schädigungen führen kann.

Auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Verantwortlichkeit von Gesundheitsamt, Jugendamt und Politik.

Als Achtjähriger wurde Dietmar wieder verschickt. Diesmal in die Berge. Der Transport war so ähnlich, wie ich es von anderen Beschreibungen kenne. Dietmar wurde am Bahnhof von Duisburg abgegeben und dann ging es mit vielen fremden Kindern sowie unbekannten Begleitpersonen mit dem Zug in die Alpen sowie schließlich mit dem Bus in eine „Kinderheilstätte“ in Mittelberg/Oy.

Die Einrichtung wurde von den Nonnen und Schwestern vom „Orden der Mallersdorfer Schwestern“ betrieben.

Ankunft, Unterbringung, Regeln sowie Verhaltensweisen des pädagogisch nicht qualifizierten Personals waren ähnlich, wie ich es auch aus den anderen Beschreibungen von Verschickungskindern kenne.

Nachts dürften die Kinder nicht auf die Toiletten gehen. Wer das doch versuchte, erlebte körperliche Gewalt. Kam es dann zum Einnässen, so   wurde man als Bettnässer beschimpft und gedemütigt.

Die Post sowie Telefonate mit den Eltern unterlagen einer strengen Kontrolle. Einmal erlebte der Vater von Dietmar bei einem Besuch, wie einem anderen Jungen von einer Nonne Gewalt angetan wurde. Trotzdem stimmten die Eltern auf Druck des Arztes einer Verlängerung der „Kur“ zu.

Etwa ein halbes Jahr lang wurden Dietmar von Heimarzt täglich mit einem Schlauch Magensaft entnommen. Zur TBC-Kontrolle? Später sollte sich herausstellen, dass das völlig unnötig gewesen war. Das ist ein weiteres Beispiel für sinnlose medizinische Quälereien an kleinen Kindern.

Auch in dieser Einrichtung galt die Gewichtszunahme als ein Indiz für die Gesundung. „Alles musste auf Biegen und Brechen aufgegessen werden – bei vielen eher auf ´Brechen`“ (S. 32).

Der zensierte und knappe Kontakt mit dem Elternhaus lässt bei dem Jungen Zweifel aufkommen, ob man ihn vergessen hatte. Wenn der Junge bei den wenigen Telefonaten mit den Eltern etwas Kritisches sagen wollte, unterbrachen die Nonnen einfach das Gespräch. „Ob man zu Hause noch weiß, dass es mich gibt?“ (S. 37).

Natürlich kann eine solche Behandlung nicht zu einer Gesundung des Kindes führen. Also wollten Arzt und Personal nochmals die „Kur“ verlängern. Doch dieses Mal lehnten die Eltern ab und nahmen ihr Kind mit nach Hause.

Wer sind eigentlich die „Mallersdorfer Schwestern?“ Es handelt sich um einen zu Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten und heute noch existierenden Orden im Umfeld der „Armen Franziskanerinnen“. Das „Mutterhaus“ befindet sich in einer ehemaligen Benediktinerabtei in Mallersdorf (Pfaffenberg) im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern).

Im Internet-Auftritt dieser Einrichtung sah ich, dass man dort über Ländereien und Gebäude verfügt. Es gibt Wirtschaftsbetriebe, wie beispielsweise eine Kloster-Brauerei. Der Orden betreibt, auch mit „weltlichem“ Personal sowie öffentlichen Mitteln, Einrichtungen der Gesundheits-, Jugend- und Altenhilfe. Die „Kureinrichtung“ in Mittenberg wird nicht mehr erwähnt.

Interessant fand ich das im Internet abgedruckte „Schutzkonzept“ für den Umgang mit Menschen in den verschiedenen Einrichtungen der „Mallersdorfer Schwestern“. Es wäre eine juristische und sozialpädagogische Hausarbeit wert, einmal zu untersuchen, gegen welche Punkte dieses „Schutzkonzeptes“ damals verstoßen wurde.

Nando Belardi

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