Nottuln/Kreis Coesfeld, 23.08.2024
Das Kreisjugendamt Coesfeld blickt in diesen Tagen auf seine 100-jährige Geschichte zurück und lud im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten den Dülmener Buchautor Udo Evers zu einer Lesung aus seiner autobiografischen Erzählung “Verschickungskind – Ein Rinnsal in den Hinterhalt” in die Nottulner Steverschule ein.
Bernd Tübing, Abteilungsleiter des Kreisjugendamtes Coesfeld, begrüßte die 25 Anwesenden. Dabei hob er hervor, dass ihm das historisch bedeutsame Thema der Kinderverschickungen wichtig ist. Das Kreisjugendamt ist sensibilisiert für die bewegende Geschichte der Betroffenen und unterstützt den Prozess der Aufarbeitung, unter anderem durch Recherchen im eigenen Archiv.
Carolin Hoschke, zuständig für die Präventionsarbeit in der Jugendhilfe des Kreises Coesfeld, hatte im Vorfeld zum Thema der Kinderverschickungen recherchiert. Sie hatte zudem umfangreiches Material zu den Kinderrechten zusammengestellt, um im Anblick der historischen Fehler und Versäumnisse wichtige Aspekte für die heutige Jugendhilfearbeit zu verdeutlichen.
Udo Evers trug beispielhaft drei Passagen seiner Erzählung vor. Er berichtete von der Zugfahrt, der Ankunft im Verschickungsheim und von den Albträumen, die ihn auch nach seiner Rückkehr immer wieder verfolgten. Der vermeintliche Ausflug entpuppte sich in einem quälenden und schmerzhaften Prozess als größte Lüge, der er in seinem jungen Leben je aufgesessen war, einhergehend mit einem völligen Vertrauensverlust.
Die vorgetragenen Passagen regten die Zuhörer zu einer sehr offenen Diskussion an. Viele Anwesenden berichteten von ihren eigenen, sehr bewegenden Erfahrungen.
Michael Millgramm, Vertreter des Vereins “Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e.V.”, verwies auf die vielfältigen Angebote des Vereins und erläuterte den aktuellen Stand der Aufarbeitung in NRW. Dabei unterstrich er die auch von Udo Evers formulierte Forderung zur Einrichtung eines durch die Trägerorganisationen der Kinderverschickungen finanzierten Fonds zur niedrigschwelligen psychosozialen Unterstützung von Geschädigten.
Carolin Hoschke und Bernd Tübing zeigten sich am Ende der Veranstaltung sehr betroffen von den Diskussionsbeiträgen der Anwesenden. Hieraus leite sich große Verantwortung für die gesamte Gesellschaft ab, um derartigen Fehlentwicklungen heute und in Zukunft frühzeitig energisch entgegenzutreten.