Von: F. St.
Dauer der Verschickung: 6 Wochen
Bericht: Haus Hans im Glück
Mit 4 ½ Jahren kam ich im Rahmen einer Kinderlandverschickung nach Westerland, ins
Kinderheim „Hans im Glück“. Der dazu genannte Grund war hartnäckiger Keuchhusten. Auf Sylt
sollte die salzige, saubere Nordseeluft Heilung bringen. Später durchschaute ich den wahren
Grund, dass meine Mutter mit mir und dem 3 Jahre jüngeren Bruder Jürgen schlichtweg
überfordert war. Und unsere Kinderärztin Frau Dr. P. , hatte meine Abwesenheit, zu Mutters
Entlastung, eingefädelt. Ich glaube ich habe die 6 Wochen auf Sylt nur im Bett gelegen und
durchgeweint.
Eines Tages machten wir einmal einen Ausflug zum Strand. Ich durfte einen Socken mitnehmen,
der wie alle Kleidungsstücke ein Namensschildchen mit meinem Namen hatte.
Mutter hatte diese in manchen Nächten, wie gefordert, die in die Kleidungsstücke eingenäht.
Jedenfalls sammelten wir darin Muscheln. Ich hatte natürlich die schönsten. Am Kinderheim
angekommen wurden alle Socken in einem Mülleimer ausgeleert. Diese Episode soll
stellverstehend sein, für das pädagogische Geschick dieses Hauses, zu der Zeit
Etwas, das mir erst heute zu denken gibt, sind die Vorführungen von Blechspielzeug an
Spielabenden. Der Besitzer dieser wunderbaren Spielzeuge war wohl der Hausmeister, die
einzige männliche Person, an die ich mich erinnern kann. Er scharte so 4-6 Kinder um einen
Tisch und machte eine Show mit seinem Spielzeug. Neben der Affenkapelle, ist mir die Maus
in der Blecharena in Erinnerung geblieben. Sie fuhr an einem Eingang in diesem Rund herein
und ratterte dann automatisch immer wieder etwas versetzt vor und zurück, bis sie endlich am
Eingang der Arena wieder hinausfand. Ich war begeistert. Leider kommt mir in dem
Zusammenhang ein Missbrauchsverdacht in den Sinn.
An die Tat selbst, wenn sie stattgefunden hat, habe ich keine Erinnerung, aber die Auswirkungen
auf mich, sind eigentlich eindeutig. Wieder zu Hause war ich Bettnässer und lutschte am
Daumen und das alles bis weit in die Pubertätszeit hinein. Die Größte Auswirkung betraf den
Stuhlgang, ich kotete mich ein. Mein Verhältnis zum Toilettengang war tief gestört. Verspürte ich
Anzeichen mich zur Toilette zu begeben, schob ich das so weit vor mir her, bis es wieder einmal
zu spät war. Die starke Geruchsbildung in meiner unmittelbaren Umgebung führte zu einer
ständigen Angst entdeckt zu werden.
Zu dem Thema auch Ferienfreizeit vom RWE in Bad Tölz.
Als ich 11 Jahre alt war nahm ich Teil an einer Ferienfreizeit vom RWE in Bad Tölz.
Wir Jungen und Mädchen waren alle aus RWE Betriebsverwaltungen NRW und alle so ziemlich
im selben Alter. Wir wurden in keiner Weise getrennt, außer beim morgendlichen Duschen. Es
gab eine Stelle von wo aus man in die Duschen im Souterrain einsehen konnte. Auf einer
bestimmten Stufe der Eingangstreppe sitzend, konnte man durch einen schmalen Schlitz an der
Seite des Kippfensters, die nackten Mädchen erspähen. Man konnte deutlich sehen, dass ihnen
was fehlte.
Als ich einmal vom Duschen zum Anziehen kam, sah ich meine Schlafanzughose auf links
gedreht am an einem der Garderobenhaken hängen. Die beiden Betreuerinnen versprachen
davon eine pädagogische Wirkung auf mich. Ich hatte mir in der Nacht in die Hose gemacht und
hatte noch keine Möglichkeit zum Wechseln gehabt. Ich habe mich unheimlich geschämt. Dabei
habe ich nach außen hin eine stoische Ruhe bewahrt. Etwas, das ich auch für spätere
Kränkungen gelernt hatte.
prägende Ereignisse:
Eine Lungenentzündung vor Weihnachten, im Alter von 3 ½ Jahren, mit über
40°C Fieber, hätte mich fast umgebracht. Meine Kinderärztin hat eine ganze Nacht an meinem
Bett gesessen und mir so das Leben gerettet.
Mit 4 Jahren kam ich aufgrund häufiger starker Bauchschmerzen für 4 Wochen ins Krankenhaus.
Meine Mutter durfte mich nur aus einer Schleuse heraus besuchen. Ich fühlte mich abgestoßen
und entwickelte in den Momenten, an denen Mutter zu Besuch da war, eine ungeheurere Wut.
Deshalb stellte sie die Besuche ein.
Bei meinem erzwungenen Aufenthalt mit 4 ½ Jahren für 6 Wochen im Kinderheim
„Hans im Glück“ in Westerland auf Sylt, trug ich große Schäden davon. Zum einen das starke
Heimweh und ich vermute ich war Missbrauchsopfer des Hausmeisters. Dadurch verlor ich mein
kindliches Urvertrauen.
Mit 6 Jahren wäre ich fast im Ruhrfreibad ertrunken, ein Mann zog mich aus dem Wasser, als ich
im Tiefen für längere Zeit untergegangen war. Es war meine erste Nahtoderfahrung.
Anfang des 2. Schuljahres mit 7 Jahren hatte ich eine Blinddarm Operation unter den damaligen
archaischen Bedingungen. Mit einer Äthernarkose und striktem Fasten nach der Operation. Ich
wäre fast verdurstet.
Im Religionsunterricht zur Erstkommunion habe ich beim Kreuzzeichen einen Fehler gemacht
und wurde aufgefordert zu sagen, ob dies Absichtlich oder Unabsichtlich geschehen sei.
Da ich bei der Vorsilbe „un“ immer etwas Negatives zu Grunde legte. Da entschied ich mich für
Absichtlich und bekam eine saftige Ohrfeige von unserem Vikar. So wurde mir eindringlich vor
Augen geführt, wie wichtig eine präzise Sprache für das Zusammenleben ist.
Mit 8 Jahren sollte ich meinen drei Jahre jüngeren Bruder zum Kindergarten bringen, daraus
resultierte ein stundenlanger Alptraum für mich. Letztlich war mein Bruder nicht zu Tode
gestürzt und kam heile aus dem Kindergarten zurück. Erkenntnis daraus man muss nur die Ruhe
bewahren, dann wendet sich Vieles einfach zum Guten.
Mit 10 Jahren hatte ich einen Rollerunfall zusammen mit Regine, die eine stark blutende Wunde
an der Schläfe davontrug. Ich fühlte mich schuldig, hatte Nachmittagsunterricht,
dabei wusste die ganze Zeit nicht ob sie überlebt hatte. Sie ist im Krankenhaus genäht worden.
Ich hatte mir lange zu viele Sorgen gemacht.
An anderer Stelle noch einmal
Bis zu meinem 16. Geburtstag habe ich am Daumen gelutscht, war Bettnässer und manchmal
habe ich den Toilettengang so weit verschoben, dass ich mir in die Hose machte. Ich vermute,
dass ich im Kinderheim auf Sylt missbraucht worden war.
An manchen Abenden, ziemlich spät, versammelte der Hausmeister uns kleine Kinder um sich
und führte uns sein Blechspielzeug vor. Er hatte die komplette Affenkapelle, aber an was ich
mich besonders erinnerte, war eine kleine Blechmaus, die in einen Blechkreis hereinfuhr und
durch automatisches vor- und rückwärtsfahren beim Anstoßen, wieder herausfand. Ich glaube,
dass er an solchen Abenden seine Opfer aussuchte.
Erfahrungen und Einschätzungen: Kindergarten / Schule
In meiner Jugend war die Prügelstrafe noch üblich. Ich bin geprügelt worden, oft und heftig.
Hauptsächlich von meiner Mutter, auch unter Zuhilfenahme von Hilfsmitten wie Kleiderbügel
und Kochlöffel. Sie war wohl eine sehr ungeduldige Frau.
In der Realschule war ich ein gern gefundene4s Opfer. Bei dem sadistischen Lehrer musste man
das Stöckchen erst saus einem anderen Klassenraum holen. Dort vor versammelter Klasse um
den Rohrstock bitten zu müssen, war schlimmer, wie die eigentlichen Prügel.
Ich glaube ich gehörte schon im Kindergarten zu den Außenseitern. Nicht weil ich gestört oder
irgendwie behindert war, sondern weil ich fühlte, dass vieles nicht stimmig war.
Also, ich wusste es nicht, ich spürte es um so mehr sehr deutlich. Es gab für mich keinen
einsehbaren Grund warum ich von Zuhause weg sollte. Ich saß meistens alleine, war traurig und
fühlte mich abgeschoben. Spielen war nicht die Möglichkeit das auszudrücken.
Bei stupidesten Bastelarbeiten, wie zum Beispiel Bilder aus einer Postkarte mit der Nadel Punkt
für Punkt auszustechen, da konnte ich mich verlieren.
In der Schule kam neben den schon bekannten Übeln, wie Trennung und der Tortour früh
aufstehen zu müssen, eine mir nicht einsichtige, strenge Disziplin. Hinzu kam noch die
Offenlegung von Blöße und Verletzbarkeit. Damit meine ich in Erster Linie nicht nur mich,
sondern das armselige Schauspiel an den Kameraden, die nicht so folgen konnten. Die
pädagogischen Antworten hierauf stammten noch aus Kaisers Zeiten. Das machte mich wütend
auf unsere Peiniger. Hilflos, ohne den Verursacher selbst treffen zu können, suchte sich die Wut
andere Kanäle, zum Teil in der Totalverweigerung in einigen Fächern.
Natürlich ist Schule nützlich. Ich war froh, als ich in der Straße Schilder und Reklamen lesen
konnte. Das hätte mir gereicht, aber das hätte ich auch von meiner Großmutter lernen können.
Was dann folgte war stupide Wissensvermittlung. Reine Rohkost ohne Bezug zum wahren
Leben, das führte zu viel Frust und Blockaden. Die praktische Ausbildung, mit Eisenklötze klein
feilen und die weiterführenden Übungen, in viel zu kleinen Schritten, brachten unendliche
Langeweile und über dem Studium stand für mich die eine große Frage: WOFÜR
Großes Unbehagen und Neugier haben mich angetrieben. Reisen, das war mein Ding, neue
interessante Eindrücke und Erfahrungen, raus aus den engen Schuhen und durchatmen.
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