59505 Bad Sassendorf, 1982/1983

Ein Gefängnis

Guten Tag,
auch ich war im Jahr 1982/83, genau weiß ich das nicht, in Bad Sassendorf für sechs Wochen
während meiner gesamten Sommerferien. Es wurde vom Arzt verschrieben und über die AOK
abgerechnet. Es wurde ein Grund gesucht, damit das Kind einen günstigen Urlaub machen
konnte. Deshalb hat der Arzt irgendetwas erfunden. Meine Mutter hatte sich damals bestimmt
nichts dabei gedacht und dachte, es wäre eine gute Idee.
Ich habe die Briefe und Postkarten von damals gelesen, und ich merke, wie sehr meine Mutter
gelitten hat, als sie das damals tat. In jedem zweiten Satz schrieb sie, wie froh sie sei, wenn ich
wieder zu Hause bin.
Es waren für mich ebenfalls sehr verstörende Momente. Ich kann mich nicht an alles erinnern,
vielleicht ist es besser so, da ich damals 10 Jahre alt war. Aber immer wenn ich daran denke,
habe ich ein komisches, beklemmendes Gefühl.
Ich kann mich erinnern, dass unsere Briefe nach Hause zensiert wurden. Ein Brief wurde ein
Satz gelöscht, aber meine Eltern konnten es dennoch lesen dort stand, „dass es hier wie ein
Gefängnis ist“.
Es wurden Sanktionen angewendet, und wer sich nicht fügte, kam in die „schlechte“ Gruppe, was
meistens stundenlanges Wandern bedeutete. In der „guten“ Gruppe wurden schöne Sachen
unternommen, wie Schwimmen, Reiten, Floßfahren etc. Wir sind sehr lange gewandert in der
Sommerhitze ohne viel Trinken und wir waren total erschöpft. 
Auch beim Essen erinnere ich mich, dass es nicht wirklich geschmeckt hat, aber wir mussten
immer alles aufessen. Ich kann mich auch daran erinnern, dass man nachts nicht auf die Toilette
durfte. Ich habe mich dann heimlich über den dunklen Flur zur Toilette geschlichen.
Mädchen und Jungen waren strikt getrennt. Ab und zu haben wir zusammen spielen.
An eine Sache kann ich mich besonders gut erinnern: Wir mussten am frühen Abend ins Bett und
ab da ganz ruhig sein. Ich habe dann aber gesprochen, und das hat die Erzieherin mitbekommen.
Sie hat mich daraufhin über Nacht alleine in einem Abstellraum eingesperrt.
Auch in diesen Wannen musste ich regelmäßig gehen. Warum, weiß ich nicht genau, aber man
wurde dort ziemlich grob behandelt und danach mit kaltem Wasser abgespritzt.
Auch Zugang zu seinen Kleidern hatte man nicht. Die wurden eingeteilt, und man musste seine
Sachen immer anschreiben. Und wehe, es fehlte nach dem Waschen ein Socken oder etwas
Ähnliches – dann gab es richtig Ärger.
Alles ging dort nur unter Zwang und war durchstrukturiert, ohne Rücksicht auf die Kinder. Es
gab kiene Selbsbestimmung für 6 Wochen.
Ich denke, dass damals die Methoden noch anders waren und wir pädagogisch viel dazu gelernt
haben. Aber ich würde nie ein Kind alleine für sechs Wochen in einen Zug schicken, ohne genau
zu wissen, was es da erwartet. Es hat mich nachträglich sicherlich auf die eine oder andere Weise
verändert. Ich habe die Briefe und Postkarten von damals gelesen und ich merke wir leid meine
Mutter das damals tat und in jeden zweiten Satz geschrieben hat das sie froh ist, wenn ich
wieder zuhause bin. 
Ich habe noch einen alten Prospekt und habe ihn an die E-Mail angefügt.
Anonymisierungs-ID: apt

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