Von: S.W.
Dauer der Verschickung: 6 wochen
Bericht: Ich wurde auf Anraten eines Schularztes, Diagnose Schwächlichkeit, in diese Kinderkur
verschickt. Als Bettnässerin wurde ich mit anderen Kindern mit dem gleichen Problem in ein
Zimmer gesteckt – die Häme der anderen Kinder war uns sicher. Hatte ein Kind eingenässt,
bekam es unter missbilligenden und angeekelten Kommentaren Bettwäsche hingeklatscht und
musste sein Bett selber neu beziehen. Die jüngsten konnten das nicht und wurden lächerlich
gemacht. Wir älteren haben versucht, den Kleinen zu helfen, was uns wiederum zum Ziel von
Anschnauzern und Runtermachern machte. Wir sind dazu übergegangen, das nasse Bett zu
verheimlichen. Also krochen wir fortan abends in einen kalten stinkenden Pfuhl. Da ich
konfessionslos war, stand ich unter besonderer Beobachtung, wurde wegen minimalsten
„vergehen “ gedemütigt und runtergemacht. Die Krönung war der Besuch der Pfingstmesse in
Immenstadt: mir war beigebracht worden Respekt gegenüber gläubigen Menschen zu zeigen. Da
ich noch nie eine Messe besucht hatte, war ich völlig ahnungslos. Sowieso schon total
verunsichert, war mein oberstes Ziel nicht aufzufallen. Daher machte ich exakt nach, was die
anderen Kinder taten: aufstehen, setzen, hinknieen und irgendwann nach vorne dackeln,
hinknieen, Schnabel aufsperren und Esspapier auf die Zunge gelegt bekommen. Schon beim
Einstieg in den Bus zur Rückfahrt wurde ich wütend angezischt, meine Unverschämtheit hätte
ein Nachspiel. Zurück im Heim wurde ich zum Heimleiter gezerrt, wo drei bis vier Erwachsene
waren und sofort begannen, völlig außer sich, auf mich einzuschimpfen. Es vielen Begriffe wie
unverschämtes Biest, Blasphemie….ich sollte mich zu den Vorwürfen äußern. Ich war total in
Panik, suchte krampfhaft nach dem Grund für die Wut, die mir entgegen schlug ,konnte aber
nicht erkennen welchen Fehler ich gemacht haben sollte. Ich bekam kein Wort heraus und
schließlich lief mir Urin die Beine runter. Damit explodierte die Situation völlig – ich wurde unter
wüsten Beschimpfungen aus dem Zimmer gezerrt. Danach habe ich wenige konkrete
Erinnerungen nur die andauernde Angst, wieder etwas falsch zu machen ist mir sehr deutlich in
Erinnerung. Ich habe erst Jahre später begriffen, dass meine Verfehlung der Gang zum Altar war-
als ungetaufte hatte ich mir die heilige Kommunion erschlichen…. es lebe die christliche
Nächstenliebe insbesondere gegenüber unschuldigen Kindern! Ich war so traumatisiert, dass ich
an die ersten Wochen nach dieser „Kur “ keinerlei Erinnerungen habe und von einer älteren
Schwester erfahren habe, dass ich wohl das Sprechen größtenteils eingestellt hatte. Meine Eltern
haben nur gesehen, dass ich drei Kilo zugenommen hatte und damit war der Aufenthalt ein
Erfolg und basta. Dieses allein gelassen werden mit dem allen hat aus einem munteren Kind ein
völlig unsicheres, ängstliches Wesen gemacht. Unter Unsicherheit und scheinbar grundlosen
Ängsten leide ich noch heute.
Anonymisierungs-ID: apx

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