Anton Ottmann: Gewitternächte in Nickersberg

Gewitternächte in Nickersberg Ottmann Das „Kinderkurheim“ des Dr. Bartsch – Eine Dokumentation

Das “Kinderkurheim” des Dr. Bartsch. Eine Dokumentation

Lindemanns-Verlag, Bretten, 2021, 78 Seiten, Preis: 12 Euro.

ISBN:978-3-96308-138-5

(Auch im Internet)

Der Verfasser dieser kleinen Schrift war Lehrer und ist Autor verschiedener Publikationen. Er erinnerte sich an seinen Aufenthalt als Zehnjähriger im Kinderkurheim Nickersberg bei Bühl im Schwarzwald. Geleitet wurde diese Einrichtung vom Ehepaar Elisabeth und Dr. Paul Bartsch (1873-1977). Einige 10.000 Kinder sollen das Haus in den 13 Jahren der Leitungstätigkeit des Ehepaares “An Leib und Seele gestärkt” verlassen haben – so damals die regionale Presse (S. 17). Sieht man sich einige Kurzbiographien von Kindern an, so wird deutlich, dass die Wirklichkeit anders aussah. Im Buch wird einiges zur Geschichte dieses Heimes dargestellt. Einen größeren Teil der Publikation nimmt die Gegenüberstellung des tatsächlichen und erfundenen Lebenslaufes des Dr. Bartsch ein. Dieser Mann war ein Lehrer, der so tat, als ob er Arzt und Psychotherapeut gewesen wäre. Er war auch in die NS-Ausmerzepolitik verstrickt. In seinen Schriften rechtfertigte er Konzenstrationslager, Euthanasie und  Zwangssterilisationen (S. 51).

Lena Gilhaus: Verschickungskinder

Eine verdrängte Geschichte

Kiepenheuer und Witsch, Köln 2023,  350 Seiten, Preis: 24 Euro

Lena Gilhaus ist studierte Politikwissenschaftlerin und arbeitet als Journalistin. Sie hat mehrere gelobte Reportagen über die Verschickungskinder verfasst. Das hier vorliegende Buch ähnelt im Aufbau der Publikation von Hilke Lorenz.

Anstoß war die Geschichte ihres Vaters. Diese bildet im Buch eine Rahmenhandlung. Die Leser werden mit auf eine Reise zum Heim des Vaters genommen. Dazwischen kommt es aber auch zu Berichten anderer Opfer sowie über deren Einrichtungen.
Viel Raum nehmen auch die Heime in der DDR ein.
Die DDR-Verschickungsheime wären einer eigenen Untersuchung wert.
Am Ende des Buches von Gilhaus fand ich das umfangreichste Quellenverzeichnis zum Thema. Zusätzlich gibt es Angaben über Medienberichte und Internetquellen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, gehe ich in der folgenden Besprechung eher auf neue Aspekte und Informationen ein.

Hans-Walter Schmuhl: Kur oder Verschickung?

Die Kinderkuren der DAK zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Dölling und Galitz-Verlag. Hamburg, 300 Seiten, 28 Euro

ISBN: 798-3-86218-163-6

Weil es in diesen Zusammenhang passt und ein von einer Trägerorganisation in Auftrag gegebene Studie ist, soll sie hier noch einmal abgedruckt werden. Nach meinen Informationen handelt es sich um die erste Aufarbeitung einer Trägerorganisation.

Das Thema im Überblick

Zwischen 1950 und 1993 wurden etwa zehn Millionen Kinder im Alter zwischen 4 und 14 Jahren in sogenannte Kinderkurheime unterschiedlicher Träger verschickt. Zwischen vier und fünf Prozent, also etwa 450.000, davon befanden sich in drei Heimen der DAK oder in anderen von dieser Kasse beauftragten Einrichtungen. Insgesamt soll es im Jahre 1963 in der BRD über 800 Kur-, Heil-, Genesungs- und Erholungsheime für Minderjährige mit über 56.000 Plätzen gegeben haben (S. 90). Es handelte sich um einen riesigen und heute noch weitgehend unbekannten Markt.

Der Verfasser des Buches

Hans Walter Schmuhl ist außerplanmäßiger Universitätsprofessor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Er ist freiberuflicher Historiker und Autor bzw. Mitautor einiger Bücher über kirchliche Einrichtungen und deren Heime.

Geleitwort

Von Andreas Storm (Vorstand DAK) und Dieter Schröder (Verwaltungsrat DAK).

Nachdem in den letzten Jahren viele negative Vorkommnisse, auch bei anderen Heimträgern, bekannt wurden, bemühte sich die DAK “das Leid der Opfer anzuerkennen”. Man nahm Kontakt zu den Betroffenen und ihren Organisationen auf und bat um Entschuldigung (S. 10f.).

Schmuhl fertigte im Auftrag der DAK innerhalb eines Jahres diese Studie an. Er hatte Zugang zu den Archiven. Bei derartigen Auftragsuntersuchungen ist Vorsicht geboten. Denn es gab in der Vergangenheit viele gut bezahlte Gefälligkeitsstudien.

Dabei ging es auch um Reinwaschung beschuldigter Organisationen. Wie hat der Verfasser diese Aufgabe gelöst?

Birgit Lübben: Ware Kurkind

Birgit Lübben: Ware Kurkind Was in Bremer Akten steht

Was in Bremer Akten steht

Book on Demand, Norderstedt

2023
350 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-7568-8305-9

Die Autorin: Birgit Lübben wurde 1968 geboren und arbeitet in der Meeresforschung an der Universität Bremen. Im Jahre 1971 war sie als Dreijährige acht Wochen lang in einer “Kinderkur”. Derzeit ist sie in Bremen für die “Initiative Verschickungskinder” als ehrenamtliche Landeskoordinatorin tätig. Als sie erfahren wollte, weshalb man ihr damals diese “Kur” angetan hatte, erlebte auch sie eine “Wand des Schweigens”. Bevor Lübben sich mit dem Thema Kinderverschickung beschäftigte, hatte sie den Eindruck, dass nur sie “eine schlimme Kinderkur erlebt” hatte (S. 10). Nachdem sie sich gründlich in die Akten der Stadt Bremen vertiefte, kam sie dahinter, dass es Millionen von Kindern über Jahrzehnte hinweg so oder ähnlich, wie ihr selber, ergangen war.

Hilke Lorenz: Die Akte Verschickungskinder

Die Akte Verschickungskinder

Wie Kurheime für Generationen zum Albtraum wurden

Weinheim Basel: Beltz. 2021, 300 Seiten, Preis: 22 Euro

ISBN: 978-3-407-86655-4

Die Autorin ist Redakteurin bei der Stuttgarter Zeitung und hatte schon mehrere populär geschriebene Sachbücher veröffentlicht: “Kriegskinder – das Schicksal einer Generation” oder “Heimat aus dem Koffer”. 

Wie schon erwähnt gebührt Anja Röhl der große Verdienst, die Skandale um die Verschickungskinder aufgedeckt und mit ihrem Buch von 2023 bedeutete Fakten bekannt gemacht zu haben.

Aber schon bei Lorenz wird die Beschwerde einer damals 18-jährigen Kinderpflegerin gewürdigt. Denn sie hatte schon 1969 öffentlich auf die unhaltbaren Zustände in den Heimen aufmerksam gemacht.

Anja Röhl: Das Elend der Verschickungskinder

Elend der Verschickungskinder

Kindererholungsheime als Orte der Gewalt

Gießen: Psychosozial-Verlag 2021.
300 S., Preis: 30 Euro.

ISBN: 978-3-8379-3053-5

Das Buch von Anja Röhl gilt zu Recht als das zentrale Werk über das Thema. Sie hatte Pionierarbeit geleistet. Ich finde das Buch beispielhaft gegliedert. Denn es trennt klar zwischen den wissenschaftsbezogenen, also auf Fakten basierten Kapiteln, sowie den etwa 150 Seiten umfassenden Texten, welche auf den Berichten von Verschickungskindern beruhen. Was steht drin? Nach einleitenden Erläuterungen beschäftigt sich Röhl mit dem historischen Hintergrund der Verschickungen.

“Schwarze Pädagogik”?

Schwarze Pädagogik

Bei den millionenfachen Verschickungen von Kindern in sogenannte “Kurheime” der Jahre 1950 bis 1990, kam es nicht nur zu häufigen Gewalthandlungen. Während der meistens sechs Wochen dauernden “Kuren” wurden Kinder auch sexuell missbraucht. Einige kamen zu Tode. Statt gesund zu werden, wurden vermutlich Millionen von Kindern für ihr Leben geschädigt. 

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